service-taxi
damaskus, 12.11.2004

die fahrten werden langsam immer abenteuerlicher. weil taeglich nur zwei busse von damaskus nach amman (jordanien) fahren, wollen wir ein service-taxi nehmen. das sind langstreckentaxis mit 4 bis 5 passagieren, aber nicht sehr teuer. am baramke bus terminal in damaskus kommt es beinahe zur schlaegerei wegen uns. 10, 11 taxen warten. als wir das tor passieren, sind wir sofort von einem haufen maenner umringt, die uns ihren fahrpreis auf arabisch entgegenschreien. als wir uns fuer einen entschieden haben, kommt ein anderer auf uns zu und erklaert, er sei "no. 1" in der warteschlange. sieht ganz vernuenftig aus, der typ. also geben wir ihm unsere paesse fuer die polizeiregistrierung (in syrien an jedem busbahnhof obligatorisch) und packen unsere rucksaecke in seinen kofferraum. drei minuten spaeter wuestes geschrei. unser taxifahrer und der, zu dem wir zuerst wollten, fassen sich am kragen, umringt von anderen. irgendeiner kommt und sagt "change taxi". wie jetzt? nach kurzem zoegern holen wir wieder unser gepaeck aus dem kofferraum. also gut, dann fahren wir eben mit dem anderen. es geht los. nach fuenf minuten haelt unser neuer fahrer mitten auf einer dreispurigen ausfallstrasse. natuerlich auf der mittleren spur. eine hand am handy, rennt er zum kofferraum. dann reisst er die tuer auf und ruft "change taxi". aha. hinter unserem wagen hat ein anderes taxi gehalten, in das wir ratlos umsteigen. dann geht es endlich raus aus der stadt. eine stunde spaeter halten wir wieder, am rande der autobahn, wo ein aelterer mann wartet. der junge steigt aus, der aeltere uebernimmt das steuer. wir quittieren es nur noch mit achselzuckend. zweieinhalb stunden spaeter sind wir wohlbehalten in amman. -nbo

 

hopper in syrien
damaskus, 12.11.2004

es ist schwer genug, in syrien eine bar zu finden, in der man beim bier alles entspannt sacken lassen kann. am maertyrerplatz in damaskus gibt es immerhin die karnak-bar. was fuer ein ort. das ambiente hat wahren ostblockcharme. hier sitzen die anonymen alkoholiker der stadt. an einzelnen tischen sitzen ernste, schweigsame maenner. schauen rauchend auf den maertyrerplatz und nehmen einen schluck aus dem whiskeyglas. mindestens drei haben einen glaesernen flachmann auf dem tisch stehen. vor anderen reihen sich leere bierflaschen, waehrend sie geistesabwesend ihr brot ins hommus tunken. der kellner ist total gelangweilt, der raum von grellen neonroehren erleuchtet. es ist sozusagen die damaszener variante von edward hoppers beruehmtem bild "nighthawks". -nbo

 

Captainsdinner auf der MS Damaskus
damaskus, 11.11.2004

Rosa Tischdeckchen im vorderen Teil des Glaspavillons, der restliche Bereich in feinem Leinen mit Bluemchendekor auf jedem Tisch. Eine Athmosphaere wie auf dem Traumschiff. Dezente Piano-Konservenmusik rieselt aus den Lautsprechern. Der Maitre de nimmt die Bestellung auf und sofort huepft eienr der zehn befrackten Helferlein herbei und beglueckt uns mit den Vorspeisen. Frische Radieschen, Minze, Karotten und Oliven. Bis auf unseren Nachbartisch ist der Laden menschenleer. Die Belegschaft steht vor dem obligatorischen Deckenfernseher und starrt gespannt auf einen Bericht ueber Arafats Aggregatszustand. Leichter, duftiger Safranreis, elegant gewuerzt mit Kardamom, Rosinen und Mandeln wird gereicht, dazu ein Huhn, das bei der ersten Beruehrung mit der Gabel vom Knochen faellt. Auf dem anderen Teller gebratene Lammkoteletts, die Masstaebe setzen, Moehrchen, Bohnen und Schmorkartoeffelchen, die ihresgleichen suchen. Waehrenddessen immerzu Richard Clayderman, jetzt eine Variation von Bryan Adams "Everything I do". Zum Abschluss eine dezent mit Rosenwasser abgerundete Pudding-Nachspeise unter einer Pistazien-Nusshaube, dazu arabischer Kaffee mit Kardamom. Opulente Obstteller kreisen. Das alles bekommt man, wenn man in Damaskus einmal stolze acht Euro auf den Kopf haut. Der Maitre de, der sein Gesicht nur ein einziges Mal zu einem Niessen verzogen hat, wuenscht uns eine gute Nacht. Wir gehen von Bord des Restaurants Al Kamal, hinaus in die Fluen der syrischen Grossstadt. nach Diktat verreist -dwo

 

in der moschee
damaskus, 11.11.2004

ich bin noch nie in einer moschee gewesen. die erste ist die omayyaden-moschee in damaskus. viertheiligste staette des islam (nach mekka, medina und dem felsendom in jerusalem). ich muss sagen, ein guter ort. im innern ist alles mit dicken teppichen ausgelegt. kronleuchter haengen von der decke. einige beten. andere halten ein nickerchen oder diskutieren leise. ein hort der ruhe und kontemplation in der brodelnden unruhe einer arabischen grossstadt. aber viel ungezwungener als in einer kirche, und nicht so feierlich wie in einem buddhistischen tempel. die moschee ist der oeffentliche raum der stadt, den ich sonst so vermisse. keiner schaut einen komisch an, wenn man als offensichtlicher nicht-moslem hier ist. man kann das nicht laut genug sagen in dieser vergifteten zeit, in der der islam unter generalverdacht steht. ich will auch nichts schoenreden: der islam hat natuerlich ein elitaeres selbstbild. in istanbul habe ich mir den koran auf deutsch als reclam-ausgabe gekauft. wann, wenn nicht jetzt, einen blick in das "buch der buecher", wie es die araber sehen, hineinwerfen? weil de islam nicht von philosophen und dichtern erdacht wurde, sondern als gottes unmittelbares wort gilt, ist er nur in der arabischen originalfassung "der" koran, sagen die islamischen theologen. unuebersetzbar. gott hat zur menschheit auf arabisch gesprochen. alle uebersetzungen sind nur annaeherungen. historische textkritik ist nicht nur ueberfluessig, sondern auch sinnlos. als rationaler westler, der ich nun mal bin, erst recht als aus der kirche ausgetretener katholik, kann ich das nicht akzeptieren. muss es als absurd zurueckweisen. sei's drum: die omayyaden-moschee gefaellt mir. ihre atmosphaere. der islam k a n n auch sehr tolerant sein, sehe ich. die militanten sind nicht alles. es ist uebrigens bemerkenswert, dass im osmanischen reich jahrhundertelang echte religioese toleranz herrschte, als in europa, etwa in der bartholomaeus-nacht in frankreich, protestanten (hugenotten) abgeschlachtet wurden. der islam ist widerspruechlich, keine frage. aber mit einerm einfachen schwarzweissraster nicht zu ergruenden. woldos zorn auf die missachtung der frau ist allerdings voellig gerechtfertigt. aber diese ist nur ein teil des puzzles. -nbo

 

Im Land der dicken Taube
aleppo, 6.11.2004

Ich bin nun wahrlich keine Frauenrechtlerin, aber was ich hier sehe, geht mir zu weit, und zwar eindeutig. Mein anfaengliches Staunen ueber die strikte Befolgung der Verhuellung weicht einer immer staerker werdenden stillen Aggression, denn eine Provokation wuerde hier sowieso keiner verstehen. Trotzdem ich meinen Kopf aus Respekt gegenueber der anderen Kultur mit einem Nickituch bedeckt halte, werde ich behandelt wie Dreck. Ach nicht mal das, eher wie Luft. Mir werden mit direktem Blickkontakt Tueren in die Rippen gestossen und auf dem Buergersteig nicht nur einmal die Ellenbogen von den gerade mal schulterhohen Arabern in den Busen gerammt. Mit Beruehrung scheinen sie hier keine Probleme zu haben. Sie geifern mich unverholen an, denn meine Kinnpartie samt Nase ist zu sehen. Sogar begrabbelt werde ich hinterruecks, mir schwillt der Kamm! Schon die These "Die Frau gehoert an den Herd" finde ich bestreitbar. Aber "Die Frau gehoert an den Herd und in den Sack" ist fuer mich eine eindeutige Verletzung der Menschenwuerde. Nur damit ausserhalb der eigenen vier Waende kein anderer Mann sie zu Gesicht bekommen soll. Was soll das? Um dadurch die soziale Ordnung zu befrieden, weil Mann sein Geschlechtsteil nicht im Griff hat? Ja laufen denn bei uns staendig alle mit einer Dauererektion herum? Und warum muss diese Unfaehigkeit dann auf dem Ruecken oder besser gesagt dem Kopf der Frau ausgetragen werden? Wenn Frau das Haus verlaesst, hat sie sich zu verschleiern mit trostlosem Schwarz, manchmal sogar komplett wie Huibuh das Schlossgespenst, so dass man nicht mehr weiss, ob sie gerade mit dem Ruecken oder dem Gesicht zu einem steht. Bei einer Teilglatze, einer Gesichtsrose oder aehnlich Stoerendem kann diese Maskerade vielleicht von Vorteil sein, aber wenn eine Gesellschaft es Frauen von vorne herein vorschreibt, empfinde ich das als einen massiven Eingriff in ihre Persoenlichkeit. Und dieselben Maenner, die von ihren Frauen das strikte Befolgen des Vermummungsgebotes verlangen, geilen sich an den blonden Bikinischoenheiten auf, die auf den Fernsehern der Restauraunts als Dauerberieselung in Musik-Clips zu sehen sind. Beschissene Doppelmoral. Aber was ist mit den jungen Frauen? Verhaengen sie sich, um dadurch bessere berufliche Moeglichkeiten zu haben? Um Reibungsverluste mit Familie oder Chef zu vermeiden? Ich nenne das opportun und den Weg des geringsten Widerstandes. Vielleicht tun sie sich irgendwann einmal zusammen und hauen ordentlich auf den Putz. Die weiblichen Generationen nach ihnen werden es ihnen danken. Wahrscheinlich muss man sein Leben hier verbracht haben, um diese Ungerechtigkeit und diesen Mummenschanz zu verstehen. Ich jedenfall bin heilfroh, dass meine Seele in die westliche Kultur hineingeboren wurde! nach Diktat verreist -dwo

 

naher ostblock
aleppo, 6.11.2004

das ist also das vielgepriesene aleppo, die stadt an der seidenstrasse, das tor der mediterranen welt nach asien. bei tageslicht, und das ist nicht viel an diesem grauen tag, sieht es mehr nach 40 jahren arabischer staatswirtschaft aus. die alten haeuser in der innenstadt sind von einer russschicht ueberzogen. am strassenrand weht muell hin und her. die haelfte des verkehrs sind taxis. autos sind so unerschwinglich wie einst im ostblock: sogar fuer einen lada muss man 20.000 euro hinblaettern, wie wir von einem taxifahrer hoeren. und dumm, dass heute feiertag ist. wir haben nur das bisschen geld, dass uns der pfiffige typ vom hotel geliehen hat. in der einzigen bank, die wir finden - natuerlich eine staatliche syrische bank -, ist zwar betrieb, aber geld wird hier heute nicht gewechselt. ein bankmensch schickt uns zu einem exchange am al-jabri-platz, aber da ist keiner. nach einer dreiviertel stunde versuchen wir unser glueck im hotel baron, einem bau mit dem flair vergangener zeiten. mr. walid geleitet uns angesichts der devisen strahlend zu den sofas in der lounge, als wir geld wechseln wollen (das ist privat eigentlich verboten - aehnlich wie frueher im ostblock, immerhin koennen die syrer bei ihrer bank devisen bekommen). er gibt uns einen guenstigen kurs und will uns auch gleich noch eine taxifahrt nach beirut verkaufen. 100 dollar sind aber etwas tough. denken sie darueber nach, sagt er, kommen sie doch heute abend in die bar. kein problem, es ist ja die einzig brauchbare in ganz aleppo. nach drei stunden im gewusel der souqs gehen wir erst mal zurueck in den innenhof des hotels. der einzige oeffentliche raum in dieser stadt, an dem man mal einfach sein kann, sind offenbar die kaffeehaeuser. fuer frauen gilt: "wir muessen draussen bleiben". super idee. im hotel schlage ich die "syria times" auf und staune nicht schlecht: eine ganze seite widmet das blatt einer unglaublichen hetztirade gegen israel. da wird tatsaechlich das angebliche "protokoll der weisen von zion" als quasi wissenschaftlicher beleg fuer die weltherschaftsplaene der juden zitiert. dabei ist seit hundert jahren bekannt, dass dies eine faelschung war, die antisemiten den juden in die schuhe schoben, um ihre politik zu rechtfertigen. echt harter stoff. -nbo

 

doch ein kulturschock
aleppo, 5.11.2004

heute sind wir in der arabischen welt angekommen. im so genannten nahen osten. ich dachte, ich sei von indien und suedostasien schon viel gewusel gewohnt. aber der abendliche aufruhr in der innenstadt von allepo (im norden von syrien, zweitgroesste stadt) haut woldo und mich nach einem tag im bus voll um. schon der grenzuebertritt kurz zuvor war wie eine symbolische zaesur. nachdem wir am tuerkischen grenzposten unseren ausreisestempel bekommen haben, wollen wir weiter zum syrischen laufen. geht nicht: verboten. so sitzen wir rauchend im transit auf einem maeuerchen und warten auf einen wagen, der uns mitnehmen koennte (weil es nachmittags keinen direkten bus von antakya nach aleppo mehr gibt, sind wir auf eigene faust mit einem minibus an die grenze gefahren). gestrandet auf einem leeren parkplatz. nach einiger zeit haelt ein syrisches taxi. fuer 30 dollar koennten wir mit nach aleppo. wir winken ab, zu teuer. der fahrer geht mit dem preis runter: 20 dollar. nun stehen drei araber um uns herum und versuchen uns klarzumachen, dass am abend vom syrischen grenzposten nichts mehr nach aleppo faehrt. "minibus finished". es ist dunkel. das war's dann mit unserer improvisation. wir steigen ein und passieren mit unserem visum erstaunlich schnell den grenzposten. nur 50 kilometer sind es dann bis aleppo, aber es ist, als ob man in einer anderen welt ankommt. auf den strassen dominieren die maenner, manche in kaftanen und sogar mit beduinentuechern auf dem kopf. frauen ohne kopftuch kann man an beiden haenden abzaehlen. viele laufen in den traditionellen schwarzen gewaendern herum, bei einigen sieht man nur noch die augen (aber manchmal mit sorgfaeltig gezupften augenbrauen). ich fuehle mich als analphabet. nicht nur sind alle schilder in arabischer schrift, sondern auch die zahlen in arabischen ziffern geschrieben. menschenmassen schieben sich an diesem freitagabend, der ja unserem sonntag entspricht, durch eine enge fussgaengerzone. koerper an koerper, es ist fast kein durchkommen. verkaeufer schreien, neonlichter blinken. alles ist anders. aber irgendwie atemberaubend. jetzt beginnt das abenteuer "no sleep till kapstadt". die letzten drei wochen waren dagegen nur eine aufwaermuebung. -nbo

 

 

original-blog

route
deutschland
polen
slowakei
ungarn
rumänien
türkei
syrien
libanon
jordanien
ägypten
sudan
äthiopien
kenia
tansania
mosambik
malawi
swasiland
südafrika
andere länder
eure kommentare

blog-anfang