ein paar tips zu budapest
25.10.2004

uebernachten: wer nicht allzu viel geld ausgeben will, kann im zentrum, also in pest, ohne probleme ein privatappartment fuer 30 bis 40 euro die nacht organisieren. wenn man mit dem zug ankommt, stehen die vermieter schon in scharen auf dem bahnsteig. dass dieses geschaeft ueberhaupt so gut laeuft, liege daran, dass es immer noch zu wenig guesthouses und low-budget-hotels in budapest gebe, meinte piroska balint, in deren wohnung wir gewohnt haben. eine sehr lustige und pfiffige frau. sie hat auch noch ein guesthouse, ebenfalls in der rakoczi ut. ihre telefonnr. ist 0036-30-9225680. abends rausgehen: in der raday utca, die vom calvin-platz abgeht (das ist auch die u-bahn-station). besonders hat uns eher am ende die "jaffa"-bar gefallen. fuer konzerte und DJ-auflegereien ist das weiter unten beschriebene "trafo" in der liliom utca 41 absolut empfehlenswert (u-bahn-station ferenc koerut, nicht weit vom jaffa entfernt). kaffeehaus: von den zwei traditionscafes gerbeaud (in der innenstadt) und muevesz (in der andrassy ut, schraeg gegenueber der oper) ist das muevesz auf jeden fall vorzuziehen. im gerbeaud scheinen vor allem busladungen von rentnern abgesetzt zu werden, und es ist doppelt so teuer. badehaus: alle welt rennt ins beruehmte gellert-bad. woldo war mal vor jahren da, fand es aber eher einen ort zum pilzesammeln. das szechenyi fuerdoe im stadtpark kann ich jedenfalls empfehlen (trotz fusspilzen, die sich wohl auch tummeln). ein toller ort.

 

die stadt badet
budapest, 24.10.2004

das soll ein badehaus sein? das szechenyi fuerdoe im stadtpark am ende des andrassy-boulevards erinnert eher an ein barockes stadtschloss. es ist einfach riesig. nur mit einer badehose in der jackentasche, ohne handtuch, betrete ich diesen palast der sauberkeit. leider alleine, denn woldo kann wegen ihrer erkaeltung nicht mit. ein bademeister empfaengt mich, teilt mir eine alte kabine zu. als ich in badehose heraustrete, schliesst er hinter mir ab. welch ein luxus verglichen mit den plastikspinden in unseren stadtschwimmbaedern. vorsichtig betrete ich den ersten baderaum. schwefel liegt in der luft, eine note von kakao mischt sich in den geruch. die hohe kuppeldecke ist von einer patina aus jahrzehnten ueberzogen. in den becken truebes gruenes wasser. es ist 38 grad warm, wie eine winterbadewanne. nach ein paar minuten wechsle ich ins dampfbad. die sicht reicht einen meter weit, der atem stockt augenblicklich in der bruellheissen schwuele. zwanzig menschen stehen in dieser feuchtwarmen hoelle herum. ich muss nach vier minuten passen, meine lungen scheinen zu kochen. ich verlasse das dampfbad durch eine andere tuer und lande in einer langen halle mit einem ovalen pool zum abkuehlen. die badenden lassen sich im kuenstlichen wirbel herumtreiben. wieder heraus, in den naechsten saal mit einem achteckigen becken. es ist ein labyrinth, durch das sich unmengen von badenden bewegen, dicke, duenne, kinder, greise, huebsche, haessliche, taetowierte, turtelnde, mit verwachsenen zehen, mit schoenen fuessen, europaeer, asiaten. ein babylonisches sprachengewirr verhallt im schwefeldunst. im weitlaeufigen innenhof warten noch groessere becken unter freiem himmel. am rand spielen alte maenner, im warmen wasser stehend, schach. die schachbretter sind dicke plastikfolien mit quadraten, die sie auf ein maeuerchen gelegt haben. eine gruppe schaut zu, alle brueten ueber dem naechsten zug und schweigen. ich lass mich einen moment durch die waerme treiben, dann erkunde ich den anderen fluegel dieses palastes, vorbei an weiteren pools, saunen, massageraeumen und dampfbaedern. es ist ein kunstvoller mikrokosmos der sauberkeit - den budapest den tuerken verdankt, die hier im 16. und 17. jahrhundert das sagen hatten. waehrenddessen puderte sich der debile europaeische adel und litt an kraetze. vielleicht sollte man merkel, koch und konsorten mal einen besuch im szechenyi fuerdoe empfehlen, um im schwefelbad ueber das wesen europas nachzudenken, das den tuerken angeblich so vollstaendig abgeht. -nbo

 

sonntagmorgen in budapest
budapest, 24.10.2004

ich geh die marmorstufen in dem alten wohnhaus in der rakozsi ut 27 runter, in dem wir abgestiegen sind. auf einem treppenabsatz fuehrt eine tuer auf einen balkon in den hinterhof. noch ist er gruen zugewachsen. die luft feucht und frisch, der himmel leider immer noch bedeckt. aus irgendeiner wohnung plaerrt abbas "honey, honey" herueber. im cafe randevu, ein paar meter vom hauseingang entfernt, ist noch nichts los. erst heult george michael, dann laeuft tuerkischer pop und "murder on the dancefloor". der cappucino ist der bedienung beim mitwippen des beats zu duenn geraten. aber er ist unverzichtbar wie an jedem morgen. waehrenddessen schlaeft woldo noch oben ihre erkaeltung nieder. ich schaue auf die strasse. pfuetzen eines naechtlichen regengusses stehen auf dem breiten buergersteig, der ebenso wie die sechs spuren der rakozsi ut asphaltiert ist. das gibt ihm etwas schmuddeliges. man moechte nicht auf ihm flanieren. die menschen eilen vorbei: eine rothaarige 15-jaehrige mit langem schwarzem ledermantel und doc martens, in der hand eine plastiktuete; ein grauhaariger mittfuenfziger, lang, mit schnurrbart, brille und hellem trenchcoat, typ arzt; ein alter mit wollener schirmmuetze und abgetragenem anzug, auf dem ruecken ein rucksack, in der hand eine art fototasche, an denen er schwer zu schleppen scheint, die augen sind halb geschlossen beim humpeln; ein ehepaar mit frischgekauften blumen, sie schaut noch mal auf die uhr, man ist verabredet; ein mittvierziger, der kraftvoll gelassen ausschreitet, braune lederjacke, braune cordhose, der kurze bart gepflegt; ein junges paerchen mit nicht ganz trendigen klamotten, er schaut angestrengt, sie haelt seine hand und redet, leicht laechelnd; ein alter herr, jawohl ein herr, denn er traegt noch einen ausgehhut, den trenchcoat geguertet, tappt er vornueber gebeugt mit unsicheren schritten, in der rechten hand haelt er ein paeckchen graupen oder so; ein paar mit kinderwagen, beide tragen jeans und po-lange schwarze lederjacke, diese stumpfen teile, die so teuer sind, ihre frisuren sind gepflegt, aber langweilig; nochmal werden blumen in papier vorbeigetragen... wie sieht's auf der anderen strassenseite aus? im erdgeschoss der vergilbten, maechtigen altbauten befindet sich eine ladenzeile. die durchgezogene fensterfront erinnert noch ein wenig an vergangene tage im sozialismus: die auslage ist nicht eben gekonnt drapiert. um den sozialismus abzuschuetteln, hat man offenbar zu knalligen folien gegriffen und discount-slogans auf die fenster geklebt. im "csibefarm" lacht uns gar eine riesige henne vom schaufenster an, deren stil zwischen broesels "werner" und den roadrunners von schweinchen dick liegt. schreien gelb und gross. ein laden mit taschen - drueber steht "fuerdoeszoba felszereles", oha, die ungarische sprache! -, daneben uhren, ein weiterer mit komischen klamotten... seltsame haupstrasse, diese rakozsi ut, zwischen zentrum und hauptbahnhof. -nbo

 

Budapest - Manikuere einer Stadt
budapest, 23.10.2004

Wie kann ein einzelner Kopf bloss so schwer sein. Mindestens ne gefuehlte Kiste Bier trage ich auf meinen Schultern mit mir rum. Seit Tagen nun schon diese bloede Erkaltung, genau genommen seit Berlin. Wie aergerlich. Alles wie in Watte. Trotzdem faellt mir auf, wie sehr sich die Stadt seit meinem letzten Besuch vor acht Jahren gewandelt hat. Keine fliegenden Haendler mehr auf den Bruecken. Bestimmt sind einige von ihnen in die schicken Laeden gezogen auf der zum Fluss liegenden Seite von Pest. Eine typische Einkaufsmeile wie man sie in vielen Grosssteadten findet. Geschniegelt und geleckt. Die Stadt macht sich den Dreck unter den Naegeln weg. Wie schade, gerade das Unperfekte gab ihr diesen gewissen Charme. Das Paris des Ostens macht sich heute stadtfein. Man will sich sehen lassen koennen. Die Frauen mittleren Alters putzen sich raus. Wohlstand rund um die Hueften, von den Schultern bis zum Steissbein. Auf dem Kopf tragen sie ne Frisur á la Rosi Mittermaier, die gesamte Farbpalette, aufgeklebte Fingernaegel, Puh-Parfum und natuerlich ein Handy am Ohr. Die Innenstadt gibt Vollgas. Budapest, die heutigen zwei Stadtteile sind so unterschiedlich, wie es unterschiedlicher nicht geht. Das museale Buda mit Burg und Kathedrale wirkt eher leblos, als wir auch noch ausgerechnet an einem Feiertag hinkommen. Hinter dem Huegel, wo der olle Gellert sein bronzenes Kreuz gen Himmel reckt tut sich herzlich wenig. Wohnstrassen und runtergekommene Plattenbauten. Auch die Haupteinkaufsstrasse wirkt irgendwie tot. Hier wird nicht gelebt, nur gewohnt. Zumindest heute. Ganz anders dagegen das quirlige Pest. Rund um den Calvin-Platz tuemmelt sich die Jugend in den zahlreichen Kneipen und Cafés. Nach achtstuendiegenm Dauerlauf lassen wir uns bei einem Thai nieder. Mal Lust auf nix deftiges. Ich freue mich riesig auf meine Kokos-Suppe, als ich eine Schale Eintopf hingestellt kriege. Muss wohl ein Irrtum sein, sage ich dem Kellner. Aber nichts da. "It's not like in Thailand here, different." , klaert er mich auf. Achso, ja nee, klar. Stimmt ja, so stands ja auch auf der Karte: 'Thai-Cocos Soup'. Was hatte ich auch erwartet, samesame but different, eben. Also dann doch wieder herzhaft. Na, egal. Neben uns nehmen drei Puh-Rosis platz. Omi, Mutter und wohlgenahrte Tochter. Die beiden Frauen diesmal blondbehauptet, die Tochter ist noch nicht alt genug fuers Faerben. Ganz Europa diskutiert sich wund ueber das Nichtrauchen, aber waehrend am Nebentisch die neuesten sitzen, kommt mir in den Sinn, die Restaurants neu zu unterteilen. Denn wem schmeckt schon ein Rind oder Huhn an Calvin Klein? Mir juckts schon wieder im Gehirn, wo ist eigentlich mein Taschentuch? nach Diktat verreist -dwo

 

a night out at the trafo
budapest, 23.10.2004

am ende der raday utca, der kneipenstrasse am suedende des zentrums, wird es weniger bunt und schlichter. dort liegt in einer seitenstrasse das "trafo", ein ehemaliges kino. hier kommen offensichtlich die nachtschwaermer zusammen, die mit gestyleten bars, pubs und bumsdiscos nichts am hut haben. die zahl der turnschuhe, knappen t-shirts und verwaschenen jeans nimmt schlagartig zu. es ist fast wie zuhause in st. pauli. unten im keller ist ein club mit sofas wie im "gruenen jaeger" (pferdemarkt, st. pauli). in einem weissgekaelkten raum daneben werden versuche ausgestellt, gelscheine in einen "anderen zustand zu transformieren". kurz, sie werden zerstoert: mit schwefelsaeure, edding-bemalung, speicheleinwirkung durch 10-minuetiges kauen, eine maus oder haushaltsbleichmittel, und anschliessend werden sie in petrischalen dem publikum dargeboten. wunderbare idee. der haupt-act des abends findet aber oben im alten kinosaal statt: SEX MOB aus new york werden von einem buntgemischten publikum erwartet, dass zuvor hoeflich eine ungarische free-jazz-combo ueber sich hat ergehen lassen. sex mob sind anders: nicht einfach ein jazz-quartett, sondern eine richtige BAND! besetzung: posaune, saxofon, kontrabass und schlagzeug. posaunist stephen bernstein erfuellt sofort die buehne. ein kurzer, energetischer new yorker, der ueber den boden federt beim gehen. haare kurzgeschoren im albert-camus-look. ein breites grinsen dazu, und dann brennen er und seine kumpane ein feuerwerk ab. es ist jazz auf der hoehe der zeit. keine standards aus der grossen vergangenheit stilsicher, aber kraftlos wiedergegeben, auch kein akademisches free-jazz-gefrickel. nein, praezise und reduziert entfachen sie einen richtigen groove. der bassist, ernst und fuellig, gibt einfache loops vor, die eher an hiphop-samples erinnern. wie ein fels in der brandung - so muss ein bassist sein - haelt er kurs, waehrend der drummer einsteigt. nun bernsteins kurze posaune, sehr akzentuiert. das saxofon antwortet, und zwischen beiden entwickelt sich ein musikalisches gespraech. dann ein heftiger ausbruch, eingeleitet von der unglaublichen kreativitaet des schlagzeugers. der typ sieht aus wie woody allen in jung und hager, aber er lacht oefter. und die band geht ab. wahnsinn. der klassiker "st. louis blues" wird ebenso verwandelt wie "goldfinger" aus dem alten bond-film oder nirvanas "smells like teen spirit". das publikum tobt, als sie schliesslich abtreten. fur die zugabe bittet bernstein den DJ an den plattenteller, der vorher die etwas ungluecklich agierenden free-jazzer begleitet hatte. der mann hat nerven: legt hand ans vinyl und bringt die jazzer von sex mob zum staunen. die steigen auf den beat ein, und wuerden wir nicht alle auf unseren konzertstuehlen hocken (es ist ja ein jazz-konzert - vorsicht, kultur), haetten wir alle sofort losgegroovet. bernstein - wie sein grosser namensvetter - dirigiert und treibt die band zu hoechstleistungen. der woody-allen-drummer spielt gar auf seinem hocker, um seinem schlagzeug-set irgendwelche neuen toene zu entlocken. dazwischen findet bernstein zeit fuer einen schnack. im beruehmten gellert-bad habe er vor zehn jahren eine massage bekommen, die "almost homoerotic" war. als er wieder im hotel ankam und sich dort einen porno ansah, habe dieser im gellert-bad im massageraum gespielt. so hat jeder seinen budapest-flash und das publikum schreit vor freude. so sanft und weich wie die gellert-massage geht's dann ins letzte stueck, fast homoerotisch eben. dann ist der sex mob von der buehne. der jazz ist doch noch nicht verloren. -nbo

 

 

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