"top 10"
hamburg, 4.4.2005

"wo hat's euch denn nun am besten gefallen?" oder "was war denn das highlight?", diese fragen haben wir in den letzten zehn tagen wieder und wieder gehoert. klar, ihr wollt das wissen, obwohl sich so eine reise nicht auf irgendwelche "charts" reduzieren laesst. aber wir geben es zu, auch wir lieben listen, die die welt so einfach erscheinen lassen, deshalb sollt ihr sie haben, unsere top 10:

<1> der beste strand: tofo, mosambik. duenen, palmen, brandung, walhaie, delfine und ueber allem thronend die bamboozi-bar.

<2> der beste backpacker: njaya lodge, nkhata bay, malawi. diese lodge repraesentiert das freundliche malawi auf das wuerdigste. nirgendwo gab es so nette und aufmerksame leute hinter bar und rezeption, nirgendwo war das wohlfuehlen so einfach: jetzt trinken, am ende zahlen - einfach dem barmann die "tab"-nummer zurufen. und dieser blick ueber den see...!

<3> der beste bus: ganz klar der von el gailani im sudan zwischen khartoum und gedaref. das war afrika im 22. jahrhundert.

<4> die beste bar: das "1975" in beirut. den krieg wegtrinken. so viel selbstironie ist einfach grossartig.

<5> der beste club: der "cairo jazz club", das war phiesta pur. wer dort und im 1975 war, wird nie wieder von der rueckwaertsgewandtheit "der" arabischen welt faseln. geht hin und feiert mit den arabern.

<6> der beste kaffee: ueberall in aethiopien, dem heimatland des kaffees. fuer 10 cent 1A espresso. wunderbar.

<7> das beste essen: im "blue café" in hermanus, suedafrika. noch nie so leckeren tintenfisch gegessen, und der springbok erst mal...!

<8> die besten zigaretten: "shag", eine marke aus kapstadt, die in simbabwe produziert wird. toller name, tolles schwarzweiss-design. da haben sogar die suedafrikaner gefragt, wo wir die herhaben.

<9> der beste zug: zwischen deca und sibiu in rumaenien. mit zeitungskiosk. na gut, es war ein neuer siemens-schnellzug. aber da haetten wir ihn nicht vermutet.

<10> der beste song: "love me or leave me" von kabelo, lockerer kwaito, hat das zeug zum sommerhit an der elbe. hier koennt ihr ihn runterladen: http://www.nosleeptillkapstadt.de/
lovemeorleaveme.mp3

 

letzte worte vom kap
kapstadt, 22.3.2005

in 20 stunden werden wir in good old europe landen. in london. grossartig, euch bald alle wieder zu sehen. wir verlassen das kap tief zufrieden, denn trotz allem, was uns genervt hat: Es war phantastisch. und was ist das bisschen touristenstress verglichen mit dem gemetzel, das zuhause alle mit diesem kontinent verbinden. das ja auch unbestreitbar stattgefunden hat. aber wir haben ein anderes afrika gefunden, eins, in dem die meisten menschen versuchen - die einen schneller, die anderen, nun ja, langsamer - zu potte zu kommen, ein besseres leben zu erreichen, ohne sich dabei die ruebe einzuschlagen. mir fallen die eleganten kaffeeverkaeuferinnen im sudan ein, nasser, der bedouine in aegypten, der in seinem eigenen mix aus moderne und tradition angekommen ist, kapo kansa, der eilende waldlaeufer aus arba minch (allerdings ein paar schritte zu schnell), die elmolo, die am turkanasee von gemuese traeumen, die entspannte dhaubesatzung von pangani, dickson aus nkhata bay, der freundlichste kellner in ganz ostafrika, die wuerdevolle mrs makhumula aus blantyre, pedro und ricardo aus chimoio, so liebenswuerdig und hilfsbereit, ja und topla mit seinen kumpels im walmer-township von PE, "in a chaotic situation", noch viele andere gesichter huschen vorbei... dieser kontinent ist riesig, wild, schoen, brutal, aber real, kein alptraum, sondern eine er-fahrung, fuer die man nicht zu alt sein kann, auf der man auf die harte tour laecheln lernt. ob mit kindern im gepaeck oder ohne, auf der kap-kairo-linie sind eltern genauso wie kinderlose unterwegs, kurz: es gibt keinen grund, diese weltgegend nicht zu erkunden - aber sehr viele dafuer. hier koennt ihr die globalisierung in all ihren schattierungen mit eigenen augen sehen, und suedafrika ist ihr labor, stolz und voller mut. seid auch mutig. peace. -nbo

 

Freue sich, wer kann
Kapstadt, 22.3.2005

Am Dammtor vor 15 Monaten und 21.000 Kilometern war zu Hause weiter weg als heute. Auf der Zeitachse war Ferne vorgesehen, den Blick geradewegs nach vorne. Von Land zu Land freuten wir uns auf das naechste. Immer in gespannter Erwartung auf das Neue, manchmal auch erleichtert, Unliebsames hinter uns gelassen zu haben. Nach Moslem-Country waren wir anfangs froh, in Aethiopien angekommen zu sein, nach Aethiopien haben wir uns auf Kenia gefreut, dann auf Tansania und von dort ging das Freu-Schnuerchen weiter bis runter an Kap. Immer ohne zu wissen, was uns erwartet. Aber heute freuen wir uns gerade weil wir wissen, was uns erwartet und deshalb noch um so mehr. Zu Hause: unsere Freunde, Familie, die Wohnung, ein Fischbroetchen, das Falkensteiner Ufer, ne Mate, alles demnaechst wieder in Reichweite. Vorfreude ist ja bekanntlich die schoenste Freude, aber heute sie ist vor allem die Anhaeufung von guten Gefuehlen aus Erfahrung. Na, und wenn das kein Grund zur Freude ist! nach Diktat verreist -dwo

 

game park long street
kapstadt, 21.3.2005

"cape town is pretty", sagt neo, der liebenswerte jazzer, den wir am letzten abend noch auf einen wein treffen. "but it's got no edge like jo'burg." recht hat er. kapstadt ist zu schoen fuer diese welt, mit dem maechtigen tafelberg und all seinen straenden, seinen geschniegelten surfern und wellness-fanatikern, den amerikanisierten blondinen und dieser kraeftigen schuss deutscher BWL-touristen. aber es befreit sich langsam von seinem alten geld und dessen betulichkeit. kapstadt ist auf dem weg zur weltstadt. in der long street und ihren seitenstrassen ist das vorweggenommen, im schatten der paar wolkenkratzer von downtown ist eine partymeile auf 300 meter komprimiert. trinken, feiern bis zum umfallen, nichts fuer nachdenkliche gemueter, die intellektuellen ziehen gerade erst ans kap, wo sich die kritische masse erst noch aufbauen muss. aber der spass ist schon gewaltig: im "ivory room" groovt die menge zu erstklassigem hiphop, schnoerkellos, nur die mikrophone des rap-contest fallen aus, macht nichts. weiter geht's ins "marvel", das ist hamburger berg pur, fast wie rosis bar. OK, nun ein guinness im "jo'burg", schon wieder assoziationen: "sorgenbrecher" in st. pauli oder eher "wiener blut" in kreuzberg? hier hoffen bands auf den durchbruch, aber so weit ist "the son of a thousand blues" noch nicht, da fehlt noch kraft, auch das ist noch zu schoen, the doors fuer teetrinker. ach, kapstadt macht die rueckkehr schoener, ist das landekissen fuer hamburg, gegenueber leuchtet die rote neonschrift der "adult world", alles ist schon ein bisschen wie zu hause. das hoert auch nicht im "orchard bank" auf, einer coolen bar mit ledersesseln und glasbausteinen, aber genug patina, die gute alte "lounge" laesst gruessen. da stuerzen wir ein bier, ein hunters dry hinunter und entdecken auf der anderen strassenseite diesen langen gang. zwischen zwei haeusern, zwei brandwaenden gehen wir dann "den langen gang entlang" (klingt schoen, nicht? ist ein lied von niels frevert), hausnummer 196 1/2, kein witz, und dann oeffnet sich ein innenhof mit einer wirklich gestylten bar. das myam myam. langer tresen, coole house-musik, schoene menschen, ach warum nicht, der barkeeper ruehrt uns einen daiquiri an. und wenn wir jetzt nicht so erschoepft waeren, wuerden wir es noch im snap, im deluxe, im sowiet, ach was weiss ich wo, probieren, auf diesem ultimativen game drive der nacht am kap der guten hoffnung. st. pauli kann kommen. -nbo

 

saegemehl (ein paar unaufgeregtere gedanken zu afrika)
kapstadt, 18.3.2005

meinen brass ueber das "trainingslager fuer philanthropen" habe ich mir vor einiger zeit von der seele geschrieben. aber afrika gibt noch keine ruhe, es rumort weiter, ich lese, was ich finden kann, um mehr ueber diesen kontinent zu verstehen, magazine, buecher - gibt es irgendwo antworten auf die frage, wie es in afrika aufwaerts gehen koennte? ja. hernando de soto hat eine vor fuenf jahren in seinem buch "the mystery of capital" gegeben. wichtig ist der untertitel: "why capitalism triumphs in the west and fails everywhere else". de soto leitet das institute of liberty and democracy in lima, einem think tank zu fragen ueber weltwirtschaft und entwicklung. das problem der dritten welt sei nicht, dass ihre bevoelkerung ungebildet, unfaehig, faul oder fuer den kapitalismus kulturell ungeeignet sei. nein, die oekonomien der dritten welt bestehen zu drei vierteln aus informellen unternehmen und produktionsstaetten, die ausserhalb des gesetzes operieren, aus dem, was bei uns "schattenwirtschaft" genannt wird. de soto und seine mitarbeiter haben seit den 80er jahren die favelas und shantytowns von sechs drittweltmetropolen auf ihr wirtschaftliches potenzial hin untersucht. ihr fazit: die wirtschaftliche aktivitaet dort ist enorm - sie taucht nur in keiner nationalen oder internationalen statistik auf, weil die grundstuecke, maschinen, fahrzeuge, mit denen der "slum-entrepeneur" oder der landbewohner arbeiten, nirgendwo registriert sind. den wert dieses "toten kapitals", das am offiziellen weltkapitalismus nicht teilnimmt, schaetzt de soto auf weltweit 9,6 billionen dollar! tot ist dieses kapital deshalb, weil es kein registriertes privateigentum ist, dass es seinen besitzern ermoeglichen wuerde, als sicherheit fuer bankkredite oder geschaeftsvertraege zu dienen. privateigentum ist aber die grundlage des kapitalismus, und vor allem - es bringt geld und kapital ueberhaupt erst hervor. wo kein privateigentum existiert, das wie im westen dokumentiert und amtlich verbrieft ist, gibt es nur einen mafia-kapitalismus aus schmier- und schutzgeldern und einer produktion, die immer am rande der anarchie und des verfalls operiert. wer je in afrika oder asien rumgereist ist, hat sofort all die gluecksritter der stadt, die an einer strassenecke alles und nichts verkaufen, die inoffiziellen taxifahrer oder die kleinen familienwerkstaetten in huetten, am rande der metropole oder auf dem tiefsten land, vor augen. de sotos botschaft ist nun: legalisiert erst einmal dieses tote kapital, bevor der internationale waehrungsfonds (IWF) mit weiteren "strukturanpassungsprogrammen" kommt. dass das nicht so einfach ist, zeigt ein experiment, dass er mit seinen mitarbeiter 1994 gemacht hat: die ordentliche anmeldung einer naeherei mit einer naehmaschine und einem arbeitsplatz. es dauerte 289 tage und unzaehlige behoerdengaenge, bis die naehmaschine registriert war - und 1231 dollar gebuehren, das 31-fache des monatlichen mindestlohns in peru. schwer genug, diese summe in peru zu sparen, aber unmoeglich, einen ordentlichen bankkredit in dieser hoehe fuer die anmeldung einer 1-mann-naeherei zu bekommen. kein wunder, dass die meisten kleinunternehmer in diesen laendern es vorziehen, ihre naeherei im oekonomischen untergrund zu betreiben. de soto schreibt deshalb allen drittweltpraesidenten hinter die ohren: hoert auf, euch zuerst um das lockermachen von hilfsmilliarden zu kuemmern - packt das eigentumsproblem eurer laender an und erweckt das tote kapital zum leben (wie es der westen uebrigens im 19. jahrhundert gemacht hat, als diverse eigentumsgesetze in den laendern europas vereinheitlicht wurden). de soto macht sich keine illusionen, dass es dazu integrer und faehiger politiker bedarf. und von denen gibt es hier in afrika eher noch weniger als bei uns. eine politikwissenschaftlerin aus malawi brachte es kuerzlich in der tageszeitung "the nation" auf den punkt: "politik wird hierzulande als besonders lukrativer job angesehen." *** neben fehlendem eigentum und korrupten politikern gibt es ein weiteres dramatisches problem in afrika, das jedem reisenden, der mit der lost generation dieses kontinents konfrontiert ist, auffallen muss: fehlende oder zu geringe bildung. zwar haben alle afrikanischen staaten spaetestens mit der unabhaengigkeit ein landesweites schulsystem eingefuehrt. doch die schule ist nicht in allen laendern teil der sozialen grundversorgung, die der staat seinen buergern kostenlos stellt. in malawi zum beispiel kostet das trimester einer secondary school (8. - 11. klasse) 3000 kwacha gebuehr, ca. 22 euro. das ist in malawi schon viel geld. in familien, in denen die eltern und aelteren kinder auch noch von AIDS dahingerafft werden, ist dieser betrag dann ueberhaupt nicht mehr zu finanzieren. also versuchen viele jugendliche zu jobben. die gluecklicheren leben in einem ort, durch den touristen kommen und fuer ein paar dollar zum beispiel schnitzereien oder bilder kaufen. nun, was wird ein 18-jaehriger tun, wenn er in seinem ausgefallenen trimester auf diese weise ploetzlich ein paar hundert dollar verdient hat? sehr wahrscheinlich auf die schule pfeifen und auf den mzungu money train aufspringen. der kann aber sehr schnell ins stocken kommen und am ende ganz ausbleiben: duerre, buergerkrieg, fluechtlingsstroeme oder ein tsunami sind ereignisse, die touristen nicht moegen. und was dann? schlimm genug, dass die wirtschaftsstrategen des westens, etwa im IWF oder in der WTO, allen regierungen das hohelied der dienstleistungsgesellschaft vorsingen. schulgebuehren seien besser, weil dann ein bildungsmarkt entstuende, der die qualitaet von schulen foerdere. dumm nur, wenn die jungen gluecksritter von diesem fortschritt nichts mehr mitbekommen, weil sie ihre touristendollar abends in der kneipe auf den kopf hauen. ich mochte uebrigens "we don't need no education" von pink floyd noch nie. fuerchterliches lied. -nbo

 

am ziel
kapstadt, 16.3.2005

21.000 kilometer, 5 monate, durch den nahen osten, durch afrika, das verrueckte afrika. wir haben es geschafft. wir sind in kapstadt. heil angekommen. aber die stadt sperrt sich. hat nicht auf uns gewartet. kein zimmer frei, heisst es fast unisono, weil hier irgendein komisches radrennen stattfindet. und kapstadt ja ueberhaupt immer hochsaison habe. die zielgerade streckt sich auf den letzten metern lang und laenger, es ist als ob jemand das zielbanner staendig vor uns herschiebt, waehrend wir durch die stadt kurven, da aber doch noch nicht da. irgendwann, es wird gerade dunkel, ergattern wir in der long street ein bett, heiss, stickig und spuckbillig, aber das passt doch eigentlich zu der ganzen zeit, die hinter uns liegt. dann sitzen wir in einer coolen bar im geoeffneten fenster, waehrend vom "mama africa" der beat einer band herueberschallt und in meinem kopf ist auf einmal - nur leere. als ob die ganze euphorie der letzten zwei tage sich nichts fuer das ziel aufgespart hat. das war's, und draussen ist dienstag abend in kapstadt, die nachtschwaermer trinken wie immer und wissen nichts von unserer tour, die ganze stadt hat keine ahnung, wie wir hierher gekommen sind, aber ich will es auch schon gar nicht mehr erzaehlen, erst recht nicht der grande dame am kap der guten hoffnung, die sich nicht um uns schert. pah! der schlaf ist kurz, die luft in unserem winzigen zimmer steht, die klimaanlagen von downtown veranstalten ein summkonzert, das zum gotterbarmen laut ist. um fuenf uhr morgens kapituliere ich, schleiche auf die verande im ersten stock, ueber der naechtlichen verlassenen long street. no sleep in kapstadt. nicht nur reisen, auch ankommen will gelernt sein, dann versuche ich's eben noch mal, schleiche zurueck ins bett, wache zerschlagen vom laerm der stadt auf, aber ja, es ist der laerm der metropole, wir sind in kapstadt, ich schaue aus dem hochgeschobenen fenster, die sonne scheint, und gegenueber prangt ein graffiti "africa village". dann fruehstuecken wir in einem coffee shop, auf dem buergersteig sitzend, der tafelberg thront ueber den haeusern. da muessen wir rauf, das ist das ende, nicht hier unten in der innenstadt, ist uns klar. eine stunde spaeter sitzen wir in 1067 metern ueber dem meeresspiegel, und da liegt sie da, die grande dame, jetzt doch ganz ansehnlich, wir prosten uns zu und sind gluecklich. wir sind endlich angekommen. -nbo

 

zielgerade
13. - 15.3.2005

es ist, als habe ich hummeln im hintern, waehrend ich mit woldo die laecherlich gehypete garden route entlang brettere, wir wollen nicht mehr verweilen, koennen keine neuen eindruecke mehr verarbeiten, wir wollen ankommen. trinken kurz einen espresso in knysna, der puppenstube der garden route, was fuer ein kaff mit all den "ausflueglern", die hier wohl selige tage verbringen wollen, in dieser amerikanisierten touristenfalle. nein, weg von der kueste, rauf in die berge und ueber den pass, und wow! was fuer eine landschaft oeffnet sich da, die kleine karoo, eine weite ebene, eingefasst von wilden bergketten, ueber die wolken wie wasserfaelle stuerzen. rein nach oudtshoorn, in die straussenstadt, wo wir abends straussensteak und morgens straussenruehrei essen, ueberall rechts und links der landstrasse grasen strausse, das ist ein schoenes, friedliches nest, oudthoorn, hier muss ich spaeter noch mal hin, aber nicht heute, nur noch eine tageslaenge von kapstadt entfernt, nichts kann uns halten, weiter, weiter, wieder rauf in die berge, ueber paesse und runter, dazwischen ein kaffee in ladismith. am nebentisch sitzen vier aeltere afrikaner, alle in ihren fuenfzigern, was die wohl vor 20, 30 jahren gemacht haben? haben sie von der apartheid profitiert, oder waren sie dagegen? fragen, die sich jeder deutschland-besucher der fuenfziger wohl auch gestellt hat, wenn er in essen oder frankfurt mittelalte leute sah, war dieser, war jener nazi oder nicht? bloss weiter, barrydale, swellendam fliegen vorbei, wir heizen ueber weite huegel gen sueden, nach kap agulhas, da wo afrika zuende ist. ein schlimmes kaff, keine baeume und freier blick bis zur antarktis, der wind pfeift schon frisch, es erinnert mehr an island im sommer als an afrika, auch da wollen wir nicht bleiben. mich kribbelt es, am liebsten wuerde ich durchheizen bis kapstadt, aber das ist zu weit fuer heute, und in der abenddaemmerung eines herrlichen sommertages erreichen wir immerhin hermanus. trinken einen sundowner in shimmi's bar, cool und stylish, koennte auch in hamburg sein, mit lounge-musik im hintergrund. und ploetzlich purzeln alle diese bilder durch meinen kopf, mensch wir sind fast da, beirut, kairo, lake turkana, sansibar, lake malawi... ich fuehl mich benommen, aber auch euphorisch, zusammen mit dem woldo, darauf einen rose, ole, und ein springboksteak, oh ja, und eine zigarette, dann schwirrt mir der kopf und ich schlafe unruhig, morgen ist der tag da... als wir aufwachen, brennt die sonne noch wilder, kein lufthauch weht vom meer herueber, auf geht's, nur noch 150 kilometer, wir nehmen die kuestenstrasse als zielgerade, wegen all der abgefahrenen kurven. das macht uns gar nichts, ploetzlich ueberkommt uns diese zufriedene ruhe, wir haben das rennen im sack und alle zeit der welt, schauen ein paar robben beim toben im meer zu, biegen am ersten kapstaedter township links ab, noch ein umweg, warum nicht, umkurven chapman's peak, durchfahren die atemberaubende bucht von hout bay, die sonne scheint immer noch, nur noch wenige orte, bakoven, bantry bay... -nbo

 

abends im township
port elizabeth, 12.3.2005

es ist samstag abend im anderen suedafrika. in einer ungeteerten gasse im walmer township hat uns msolisi quza, unser guide, vor einer wellblechkneipe - einer "shebeen" - abgesetzt. "just relax and have a beer", sagt er und faehrt davon, um den geliehenen minibus zurueckzugeben und das abendessen vorzubereiten. topla, juice und ihre freunde haben uns die beiden ehrenplaetze vor einer rohen hauswand gegeben: zwei gartenklappstuehle. hunde schnueffeln und springen an uns hoch, wildes haendeschuetteln ist angesagt. dreimal, wie in afrika ueblich: fuer "peace, rain, prosperity". topla und die anderen sind so erfreut ueber die ungewoehnlichen gaeste aus germany, dass sie uns gleich eine 0,6-liter-flasche castle lager in die hand druecken, das wir uns alle dann bruederlich teilen. jeder, der vorbeikommt, bleibt mit einem strahlenden laecheln stehen und schuettelt uns die hand. winston, ein junger typ ohne schneidezaehne, im fussballtrikot, haelt einen vortrag ueber gott. dass der nun in einfach allem sei. "auch in autounfaellen?" stichelt woldo, denn inzwischen muessen alle ueber diese improvisierte predigt grinsen. topla, ein sympathischer rasta-man mit musketierbart und dem unvermeidlichen schlapphut zwinkert uns zu und produziert ein recht dope-beladenes grinsen. und waehrend die sonne hinter den baeumen am rande des townships untergeht, redern wir ueber europa, suedafrika und die neue zeit. "wir sind alle menschen, all das gerede ueber hautfarben ist nur idelogie", sagt topla. was anderswo wie eine floskel klingt, ist hier und jetzt der spirit dieses augenblicks. keiner will uns anpumpen, keiner lamentiert ueber probleme, die sich nicht loesen lassen. na gut, die ersten biere am samstag nachmittag und das schoene wetter haben mitgeholfen. trotzdem, wir sind es, die eingeladen werden, noch ein bier, und wollt ihr eine zigarette, hier im walmer-township, das als einziges in port elizabeth zwischen weissen vororten den bulldozern des apartheid-regimes standhielt und heute 60.000 einwohner unter den flutlichtmasten zaehlt. in vielen strassen sind die wellblechhuetten bereits den einfachen wohnhaeusern des "reconstruction and development program" gewichen. 28.000 rand pro haus (ca. 3500 euro) laesst sich die regierung die modernisierung der townships kosten. die neuen haeuser werden den leuten innerhalb von zwei wochen auf ihren grundstuecken errichtet, ohne dass diese irgendetwas zurueckzahlen muessten. in einem abschnitt werden gerade 300 zweigeschossige haeuser fuer schwarze uniabsolventen gebaut, die darin mietfrei wohnen koennen, bis sie ihren ersten job gefunden haben. ob nicht die gefahr bestehe, dass die haeuser verwohnt wuerden, wenn niemand dafuer zahlen muss, fragen wir msolisi. er runzelt nur die stirn und wundert sich ueber unser geringes vertrauen in das verantwortungsbewusstsein der townshipler. die regierung will bis 2010 saemtliche huettendoerfer in suedafrika in ordentliche stadtteile verwandeln. ehrgeizig. selbst wenn es erst 2015 wird, der aufbruch ist beeindruckend, und wir fragen uns, warum die regierungen in anderen afrikanischen staaten nicht auch so energisch sind. warum passiert dergleichen nicht in nairobi oder blantyre? "dabei sind die anderen lange vor uns unabhaengig geworden", hat msolisi dazu bemerkt. als topla hoert, dass ich wissenschaftsjournalist bin, wird er neugierig. ob ich wuesste, dass es in afrika eine uralte wissenschaft gebe, die die welt bisher ignoriert habe. ich kann ihm nicht ganz folgen, als er mich fragt: "do you know the triangle of death?" dort hindurch wuerden wir alle irgendwann in die andere welt hinuebergehen, ueber die leider keiner berichten koenne, weil noch niemand zurueckgekommen sei. "weisst du, dass unter den ozeanen und fluessen andere seelen leben?" meint er mit geheimnisvollem blick. rausch und realitaet mischen sich in dieser fruehen abendstunde entwirrbar miteinander. "you're my long lost brother", meint er schliesslich, und ich kann mir tatsaechlich vorstellen, wie er und ich am pferdemarkt in st. pauli ueber den aufbau des universums philosophieren wuerden. juice, der bedaechtigste von allen, war einmal sieben wochen in norddeutschland. was ihn dort am meisten verbluefft hat, sind die fussgaengerzonen gewesen. "mitten in der stadt fahren keine autos, alle sind zu fuss oder mit dem fahrrad unterwegs. und so viele fahrraeder." das sei ziemlich verrueckt gewesen, meint er. woldo ist unterdes mit einem aelteren, ebenfalls zahnlosen ins gespraech gekommen, und als sie ihm sagt, das echte freunde das wichtigste im leben seien und viel geld einem feinde, aber bestimmt keine freunde einbringe, fuehlt er sich bestaetigt. er bedankt sich sogar bei ihr fuer dieses statement. dann sagt juice ploetzlich "auf geht's", das essen bei msolisi zuhause sei fertig, und wir brechen auf. ein anderer, der zwischendurch hinzugekommen ist, moechte eine der bierflaschen behalten, die wir mit zum essen nehmen wollen. ich will ihm eine in die hand druecken, als topla abwinkt. der mann sei schon zu betrunken und zu gierig. kommt nicht in frage. "I was born in a chaotic situation, I sort it out", und dann redet er ernst auf den aelteren ein. der satz hallt noch lange in meinem kopf nach. es ist unglaublich, mit wieviel witz, stolz und offenheit diese leute die "chaotische situation" sehen, in die sie die apartheid gestuerzt hat. sie bekraeftigen alle, jene zeit sei hart, sehr hart gewesen. aber da ist kein hass zwischen den zeilen zu spueren. und so, fast am ende unserer tour am rande von port elisabeth, leuchtet kurz wieder der african spirit auf, den zu finden wir hofften, den wir hin und wieder erhascht haben und der doch zu oft verborgen blieb. -nbo

 

europa vs. suedafrika (weiss)
cintsa, 9.3.2005

wenn nicht die afrikaner in den strassen waeren, koennte man suedafrika fuer ein spiegelbild europas suedlich des aequators halten. fuer den versuch, diesen kontinent, der in der vergangenheit der ganzen welt probleme gemacht hat, noch einmal zu erfinden. nur beeindruckener: mit schrofferen bergen, wilderen kuesten, lieblicheren taelern, verrueckteren baeumen, weniger staedten, dazu mit wueste und savanne. dass europaeer so auf suedafrika abfahren, wundert mich nicht. matthew, ein thirtysomething aus kapstadt, den wir vom sani pass nach coffee bay mitnehmen, sieht das anders. "ich beneide euch europaeer", sagt er langsam, in seiner verwirrten art, und man fuerchtet fast, er koennte in der naechsten minute seinen namen vergessen. "ihr fahrt einfach ein paar hundert kilometer, dann seid ihr in einer anderen kultur mit einer anderen sprache." ein schwarzer suedafrika wuerde darueber nur den kopf schuetteln, denn genau das trifft natuerlich auch auf suedafrika mit all seinen staemmen und sprachen zu. aber matthew ist ein weisser suedafrikaner, muttersprache englisch. "als ich in europa war, hatte ich dieses komische gefuehl, weisser zu sein und trotzdem nicht dazuzugehoeren." die erste ankunft hoch oben im norden hat ihn ueberwaeltigt, er schwaermt in einem fort. "ich kannte europa nur aus filmen, ich habe all die bilder im kopf gehabt, lange bevor ich da war. aber dann wirklich da zu sein, war unglaublich." mit denselben worten beschreiben viele europaeer sonst ihren ersten trip in die USA, "so much larger than life". hier unten soll europa die ueberwelt sein? fuer sal, eine suedafrikanerin mit irischen vorfahren, managerin des buccaneers backpackers, nicht. "mir ist europa zu geordnet, zu aufgeraeumt. ich liebe dieses durcheinander hier in suedafrika, alles ist bunter." all die kulturen, die nebeneinander in jeder stadt leben. fuer sal ist suedafrika ihr zuhause, "es gibt kein land, in dem ich lieber leben moechte". matthew dagegen traeumt von europaeischem punk, den er nie miterlebt hat. ich selbst kann mir wiederum nicht vorstellen, hier unten zu leben, mir kommt es manchmal schon recht amerikanisch vor, dieses weisse leben, dass sich allmaehlich in shopping malls verlagert, in die man mit dicken SUVs faehrt. da reicht mir auch die tolle landschaft nicht. -nbo

 

"rueckkehr" - die generalprobe minus pauli
11.3.2005

an ost-london brausen wir vorbei, tanken kurz in berlin, lassen potsdam und braunschweig links liegen und dann ist das schild da: "hamburg 20 km". die letzten zehn kilometer geht es ueber eine schlaglochpiste, immer aufs meer zu, ueber sanft geschwungene gruene huegel, bis die breite flussmuendung vor uns liegt. "welcome to hamburg" steht am ortseingang, hinter dem sich einige bungalows verlieren. vor dem liquor shop auf der hauptstrasse ist hochbetrieb, denn das wochenende hat begonnen. doch kein hanseat weit und breit zu sehen, nur ein paar afrikaner mit bier in der hand und ein paar jungs, die "money" zischen. das ist hamburg, eastern cape province, south africa. eine jener siedlungen, die deutsche auswanderer vor ueber hundert jahren an der sunshine coast und in deren hinterland gegruendet haben. der groesste gag: hamburg suedafrika hat dieselbe telefonvorwahl wie hamburg an der elbe - 040! abends gehen wir, na wohin? zum portugiesen essen, wie auf dem schulterblatt (im schanzenviertel). fehlt nur noch das sagres zum fisch. im unterschied zum hiesigen berlin, einem nest mit riesigem gewerbegebiet, ist das hiesige hamburg ein juwel. ein menschenleerer kilometerlanger strand, beschauliche haenge, auf denen ein paar ueppige landhaeuser mit meeresblick thronen - eins sogar mit reetdach -, einheimische, die in der flusslagune hinter dem strand im sonnenuntergang angeln, kein backpacker-partywahn, nur das zirpen der zikaden unterm sternenhimmel in der nacht... so toll hatten wir uns die rueckkehr nicht vorgestellt. -nbo

 


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