afrika lebt
blantyre, 11.2.2005

wir sind nicht verschollen. nein, wir waren nur die letzten zwei wochen offline und sind heute sehr entspannt in blantyre, der industriestadt malawis, angekommen. nach gut einer woche in diesem kleinen land um diesen riesigen see koennen wir euch allen nur empfehlen: kommt bloss hierher. hier ist noch pures afrika. unten gibt's wieder einiges zu lesen: ueber stone town, eine sehr lustige vespa-fahrt durch sansibar, eine 20-stunden-zugfahrt mit "chinesischem mist", eine zweitaegige "kreuzfahrt" ueber den malawi-see, das "trainingslager fuer philanthropen", drei kanadische phiestaner im geiste und last but not least ueber einen phantastischen ort am suedufer des sees. PS von nbo: vielen dank fuer die tollen geburtstagsgruesse. es war ein schoener tag auf dem see, mit kerzen und rotwein auf dem first-class-deck...

 

ein tag in monkey bay
10.2.2005

es ist die perfekte oase des friedens. ein breiter strand mit palmen in einer lang geschwungenen, eingerahmt von gruenen huegeln. in der ferne ueberragt eine schroffe bergkette den malawi-see. fischer lassen ihre einbaum-kanus ins wasser, kinder planschen. niemand nimmt notiz von uns zwei mzungus, die im "venice beach", dem einzigen guesthouse weit und breit, ihren kaffee trinken. kein gequatsche, keine verkaeufer. als im hintergrund eddy grants "gimme hope joanna", der anti-apartheid-song von 1988, laeuft, geht eine frau gemessenen schrittes unter einem aufgespannten sonnenschirm den strand entlang. stolz. in diesem augenblick scheinen apartheid, kolonialismus, rassismus und das afrikanische elend nur fernes echos duesterer zeiten zu sein. hier in monkey bay treffen wir wieder auf das afrika, von dem wir leichtfertig getraeumt haben. auf dem fussballacker hinter dem dorf spielen die schulmannschaften von monkey bay und mangochi gegeneinander. die spieler umkurven kleine palmenstummel, die auf dem spielfeld wachsen. das publikum ist bereits in partylaune, am spielfeldrand probieren die mangochier stage diving, denn ihr team fuehrt mit 1:0, und es sind nur noch wenige minuten zu spielen. auf der dorfstrasse erschallen die unvermeidlichen beats, und in einigen bars werden die ersten greens gekoepft. so muss sansibar vor 30 jahren auch mal gewesen sein. die monkey bayer koennen gluecklich sein, dass der touristenscheiss noch nicht ueber sie gekommen ist. -nbo

 

tropische kreuzfahrt
monkey bay, 9.2.2005

um sieben uhr abends gehen wir in nkhata bay an bord der "ilala". knapp zwei tage "tropische kreuzfahrt" liegen vor uns, ans suedende des malawi-sees. james und dawn sitzen schon auf dem erste-klasse-deck (jaja) in korbsesseln. wo man auch hinkommt auf dem pfad nach sueden, man trifft staendig bekannte gesichter. wir trinken ein paar greens mit ihnen und nicken schliesslich auf unserer matratze ein. zwei stunden spaeter geht der erste wolkenbruch los, der wind treibt das wasser auch unters riesige sonnensegel, unter dem wir liegen. an schlaf ist nicht mehr zu denken. wir fluechten aufs kabinendeck, wo sich die restlichen traveller zusammenkauern. mitten in der nacht erreichen wir dann likoma island. das deck leert sich schlagartig. die traveller gehen von bord. wir erhaschen ein paar stunden schlaf und finden uns am naechsten morgen allein auf dem deck wieder. woldo zuendet geburtstagskerzen fuer mich an, und ein kaffee bringt uns wieder auf die beine. wir spannen unsere haengematte auf und passieren entlegene stranddoerfer am ostufer in mosambik. weil das wasser zu seicht ist, werden die rettungsboote herunter gelassen und bringen bruellende ziegen, fracht und passagiere an den strand. ein junger typ ist mit dem zurueckkehrenden boot an bord gekommen, springt kurz vom deck ins wasser und schwimmt zurueck an den strand. gute idee, denke ich, und goenne mir beim naechsten halt eine geburtstagsdusche. fuenf meter tief fliege ich ins klare gruenliche wasser, vorbei an verdutzten afrikanern auf dem unteren deck, und klettere wieder an bord. in der ferne ballen sich schon neue gewitterfronten zusammen, hinter denen die sonne verschwindet. die bar auf unserem deck ist geschlossen, ausser uns ist dort niemand mehr, der noch trinken wuerde. wir koepfen zur feier des tages einen rotwein und geniessen den frieden dieses riesigen, stillen sees, auf dem selten ein anderes boot zu sehen ist. die stille waehrt nicht lange - um ein uhr nachts reisst uns ein hoellenunwetter aus dem schlummer. die ilala faehrt jetzt direkt durch ein gewaltiges gewitter, rechts und links schlagen blitze in den see ein und tauchen fuer sekundenbruchteile die regengepeitschte oberflaeche in grelles unwirkliches licht. der donner ist ohrenbetaeubend. das gesamte deck ist triefnass und woldo und ich ducken uns in die letzte trockene windgeschuetzte nische an der bar. nach einer stunde haben wir den tropischen gewittersturm ueberstanden. ich klettere wieder in die haengematte, woldo legt sich auf die bank daneben. als wir aufwachen, ist die sonne schon wieder ueber dem mosambikanischen ufer im osten aufgegangen. ein neuer tag auf dem see hat begonnen. ankern, boote zu wasser lassen, fracht aufnehmen, so geht es stunden lang weiter am malawischen westufer entlang, bis wir nachmittags monkey bay erreichen. seelengewaschen gehen wir von bord. -nbo

 

trainingslager fuer philanthropen
8.2.2005

zwei monate fahren wir nun schon durch ostafrika. und mit jedem kilometer verstehen wir weniger. die oberflaeche ist phantastisch, rift valley, savannen mit zigtausenden von tieren, tropische palmenstraende, ueberbordende maerkte, menschen in bunten gewaendern, moscheen und kirchen selbst in der hintersten halbwueste. das auge schlingt und schlingt, bis mir flau wird von all den eindruecken. aber afrika selbst scheint mir dabei zu entgleiten, ja mich zurueckzuweisen, je naeher ich mich herantaste. keine spirituelle faszination schlaegt mich in ihren bann wie in asien. stattdessen fuehle ich den kolonialismus von einst wie einen bumerang auf mich niedersausen, mich den mzungu, den faranji, weiss wie ein leuchtturm, der sich nicht verstecken kann. ich will nur beobachter sein und werde ueberall auf meinen vermuteten geldsack hin abgescannt. jedes gespraech, jede hilfsbereite geste endet in einer ausgestreckten hand. ostafrika am anfang des 21. jahrhunderts ist mir ein unentwirrbares knaeuel aus traeumen von einem besseren leben, latenter gewalt, enttaeuschung und ausbeutung. mir brennt sich ein bild ein, wieder und wieder: von menschen - eigentlich sind es fast immer junge maenner -, die am strassenrand warten und nicht wissen, worauf. alte menschen sind eine raritaet, die jungen dafuer allgegenwaertig mit ihrer gier nach leben, ihrer rohheit, ihrem machismo und ihrem nicht-wissen-wohin-mit-sich. nicht anders als bei uns, nur in einem ausmass, das ich von zuhause nicht kennen. ostafrika, das sind kuenstliche nationen in einer kollektiven pubertaet. der westen leuchtet und ist doch verhasst, weil zu maechtig, so erwachsen, brutal und guetig zugleich, eine unertraegliche anmassung, die auch allzu oft wahr ist. und gerade deshalb eine allzu billige entschuldigung. "but what can we do?" und "this is africa" sind die ewigen letzten worte, wenn wieder etwas irreparabel im eimer ist, wenn eine neue einheimische elite zur naechsten bereicherungswelle ansetzt und der geldstrom des westens verdunstet, bevor er ein pflaenzchen in der provinz benetzen konnte, wenn man seinen arsch nach 24 stunden "ass working" wieder nicht hochbekommen hat. afrika, ja gerade ostafrika, war die wiege der menschheit, und hier liegt auch die zukunft. denn irgendwo zwischen baobabs und akazien und grashuetten muss die frage beantwortet werden, ob und wie hass und gewalt ueberwunden und ein gutes leben auch fuer die dreiviertel der menschheit moeglich sein kann, die nicht im westen geboren wurden. wir westler haben keine ueberzeugenden antworten mehr, haben auch lange genug den klugscheisser gespielt. uns bleibt nur eins: nicht auch noch in nihilismus zu verfallen, mit dem unser kanadischer freund curry-kalle seine afrikaerfahrung resuemiert, und gleichzeitig mit diesem philanthropischen flanieren und posieren auf dem laufsteg intellektuellen goodwills zuhause aufzuhoeren. kuemmern wir uns lieber um unseren eigenen mist, der sich im westen hoch genug auftuermt. ich fuer meinen teil werde mich bis auf weiteres der konsequenten "lokalisierung" verschreiben. no sleep till pauli. -nbo

 

dr. viwanda
nkhata bay, 7.2.2005

"ich bin kein hexendoktor, den namen habt ihr mir gegeben", sagt william alias dr. viwanda laechelnd mit dem hauch eines vorwurfs. "ich bin ein naturheiler." "ihr", das sind die europaeer. naja, meine ich, das seien doch wohl eher unsere grosseltern gewesen. william duerfte so um die 40 sein. in seiner "chapika"-arztpraxis in kakumbi, einem dorf oberhalb von nkhata bay, bringt er die einheimischen wieder auf vordermann. der unterschied zwischen hexendoktor und naturheiler ist fuer ihn eine frage der ehre. denn hexendoktoren, klaert er uns auf, beschraenken sich darauf, boese geister auf arglose menschen zu hetzen. er als naturheiler hingegen will alles, was die leute quaelt, aus ihren koerpern und auch seelen vertreiben. dazu sammelt er in den umliegenden waeldern wurzeln, blaetter und baumrinden. mahlt sie zu einem schwarzen feinen pulver, dass dieselbe wirkung wie aspirin hat. sagt er. gut moeglich, das in dieser mischung aus mehr als 20 pflanzen viel salicylsaeure drin ist wie in aspirin. dieses wie seine praxis chapika genannte pulver ist williams allzweckarznei gegen kopfweh, schmerzen, fieber... stressgeplagten, falls es die in nkhata bay geben sollte, koennen mit einem trunk zur ruhe kommen, in dem das extrakt zweier wurzeln - lipulanda und subala - steckt. ein anderes wurzelpulver hilft gar gegen malaria. aber dr. viwanda hat auch so manche obskure behandlung im angebot. in einem flaeschchen schwimmen ein paar muenzen in einer nach terpentin riechenden fluessigkeit. das mittel werde verabreicht, wenn jemand glueck brauche, zum beispiel ein gutes geschaeft abschliessen wolle. einfach ein paar tage vor dem grossen augenblick ein wenig auf den kopf reiben und warten, bis das glueck wirklich lacht. meningitis wird angeblich dadurch geheilt, dass man dem kranken einen strick um den hals legt. recht straff, bis die krankheit verschwindet. und wer sich vor der verwuenschung eines hexendoktors schuetzen will, kann sich von dr. viwanda zehn kleine schnitte an verschiedenen koerperstellen beibringen lassen, in die dieser dann ein pulver streut. der uebergang von der chemie zur magie ist bei dr. viwanda fliessend. aber in seinem weltbild trennt man nicht harte fakten und weiche mythen. alles gehoert zusammen. selbst als exorzist verdingt er sich manchmal. dann wird die von den geistern der vorfahren heimgesuchte person einer zwei- bis dreistuendigen trancesession unterzogen, bis dr. viwanda mit den geistern direkt kommunizieren und sie vertreiben kann. er selbst sei mit 18, 19 voller boeser geister gewesen, erzaehlt er, habe nur mist erzaehlt und sich von der dorfgemeinschaft abgesondert. dann ging er anderthalb jahre nach simbabwe, wurde geheilt und lernte selbst die naturheilerei. in kakumbi sorgt er fuer das wohlergehen der doerfler seit zehn jahren. natuerlich nicht aus reiner selbstlosigkeit. wer zu dr. viwanda kommt, muss auch zahlen. eine dreitaegige behandlung mit dem chapika-pulver kostet 100 kwacha, etwa einen dollar. klingt billig, aber es ist ein fuenfzigstel eines durchschnittlich schlechten monatseinkommen in malawi. das ist so, als ob bei uns eine schlichte aspirinkur 30 euro und mehr kostet. fuer eine gluecksbehandlung mit seiner muenz-tinktur nimmt er gar 300 kwacha. wenn das keine schwarze, ja kapitalistische magie ist: geld zieht geld an. das ist im westen auch nicht anders. -nbo

 

phiesta in nkhata bay
3.2.2005

frueh morgens ueberqueren wir mit james und dawn, den englaendern, die grenze zwischen tansania und malawi. neues land, neues glueck. vor dem grenzhaeuschen rauchen drei kanadier eine zigarette, und zack, beschliessen wir, zu siebt weiter zu fahren. kurzerhand mieten wir einen ganzen minibus nach sueden. zwei der kanadier haben eine deutsche mutter: norbert und karl, der sich als begnadeter eisbrecher entpuppt. ein dummer spruch, ein witz, ein laecheln, und jede situation entspannt sich augenblicklich. zum beispiel, als ein polizist unseren minibus anhaelt und den fahrer und seinen schaffner (hier gehoeren ja immer mindestens zwei zur besatzung) zu 2000 kwacha (20 dollar) verdonnern, weil ein scheibenwischer fehlt. nicht dass das den ersten polizeiposten auf unserem weg gestoert haette. aber dieser hat offenbar die gunst der stunde erkannt: wo mzungu drin sitzen, faehrt viel geld vorbei. und an einem afrikanischen minibus wird man immer einen grund fuer ein bussgeld finden. als fahrer und schaffner lang und breit mit dem bullen verhandeln, tritt nun karl in aktion. er behauptet, nico, der dritte kanadier im bunde, habe hohes fieber, wir haetten es sehr eilig. nico schlaeft zwar nur, aber der spruch wirkt, und weiter geht's. schneller wird die fahrt aber nicht. der minibus ist total rott und keucht auf einem zylinder die haenge am ufer des malawi-sees hoch. am spaetnachmittag erreichen wir endlich nkhata bay (james und dawn haben wir in mzuzu verabschiedet). eine kleine quirlige hafenstadt am malawi-see, mit dick zugewachsenen ufern, die zum wasser hin abfallen wie an der cote d'azur. nach dem dritten "green", wie das in malawi gebraute carlsberg genannt wird, dreht karl eine tuete. wir sitzen in einer lauen sommernacht unter baeumen hoch uber dem see und hinten, auf der anderen seite uber mosambik, zucken blitze durch den nachthimmel. wir hoeren endlich unsere gute alte ska-CD, "I want justice", erzaehlen viel quatsch und lachen noch viel mehr. zum ersten mal seit unserem abschied auf dem dammtor-bahnsteig vergesse ich, in der ferne zu sein. karl, den wir "curry-kalle" taufen (wegen seines nachnamens kouri), norbert, der so herrlich "this is pure shit, man" fluchen kann, und nico entpuppen sich als phiestaner im geiste. kein wunder: le plateau ist fuer montreal das, was st. pauli fuer hamburg ist. der phiesta-spirit ist international. -nbo

 

No stop till Kyela
kyela, 2.2.2005

Nicht, dass hier etwa alle luegen wuerden. Nein, sie drehen sich die Wahrheit bloss staendig so zurecht, wie sie sie gerade brauchen koennen und erzaehlen dir, was du gerade hoeren moechtest. Der Non-Stop-Expressbus von Mbeya nach Kyela erweist sich dann auch mal wieder als ein ausgelutschter, zerjuckelter Minibus, der gnadenlos mit Frachtgut und Passagieren vollgestopft wird. "Oh no, just three stops!" hatte uns der Ticketverkaeufer vorher noch vielversprechend zugegrinst. Wer's glaubt, wird selig! So halten wir dann auch an jedem Bastkoerbchen am Strassenrand, um es samt Besitzer in die ueberfuellte Chaise reinzuquetschen. Nach dem dritten Halt haette es dann ja wie angekuendigt non-stop weitergehen sollen. Aber Pustekuchen. Nach dem zehnten Ein- und Auslademanoever am Strassenrand tue ich meine Verwunderung kund. Ich schnappe mir den vermeintlichen Geldeintreiber des Busses und erklaere ihm unmissverstaendlich: "No more stops, otherwiese I get money back!" Mal gucken, was es bringt. Natuerlich ueberhaupt nichts. Denn beim naechsten Stopp steigt mein Gespraechspartner dann aus, winkt mir nochmal freundlich zu und ich stelle fest, dass ich einen Passagier zugetextet hatte. Na, macht auch nichts, hauptsache ich bin's mal losgeworden. Ich drehe mich um und Niels, Dawn und James grinsen sich eins ins Faeustchen. Sie haben es wohl schon vorher gewusst. nach Diktat verreist -dwo

 

im sambia-express
1.2.2005

die halle der tazara railway station in daressalaam erinnert eher an ein flughafen-terminal. ein riesiger wuchtiger bau, vor dem die taxis ueber eine rampe auf der abfahrtsebene vorfahren. wir haben erste klasse gebucht und werden gleich in die lounge komplimentiert. schwarze ledersessel, livrierte kellner mit fliege. augenblicklich verfaellt jeder in diesen diskreten fluesterton. auf dem makellos sauberen bahnsteig wird noch der zug startklar gemacht. einer von fuenf zuegen, die hier in der woche abfahren. mehr passiert auf diesem ueberdimensionierten bahnhof nicht. wie auf ein unsichtbares zeichen hin springen ploetzlich alle auf und dann eilen hunderte aus der halle auf den bahnsteig. woldo und ich haben zwei plaetze in zwei verschiedenen waggons bekommen. getrennt nach maennern und frauen. kann das wahr sein? ich rede auf eine schaffnerin ein, wir wuerden gerne einen platz tauschen. kommt ueberhaupt nicht in frage, sagt die frau, es sei denn, sie mieten ein ganzes abteil (und zahlen noch mal zwei tickets). der ton erinnert mich schwer an alte reichsbahnzeiten im berlinzug durch die DDR. aus den lautsprechern in den abteilen plaerrt inzwischen eine bruellend laute ansage. ein sambier schimpft auf tansania. "alles chinesischer mist." der zug ist tatsaechlich in china gebaut, und die sambia-linie stammt noch aus den zeiten des tansanischen sozialismus-experiments. dann finden wir einen englaender, der kurzerhand seinen platz mit uns tauscht. wir holen tief luft und lassen uns in eins der sofas in der bordbar fallen. ja, richtige sofas, gar nicht so schlecht, der chinesische mist. die fenster sind geoeffnet, das castle lager ist kuehl und laeuft gut, waehrend draussen eine tropische landschaft vorbeirauscht. da, eine giraffe knabbert an einem baum neben dem bahndamm, und da, gleich fuenf giraffen. wir rauchen eine zigarette an der offenen tuer und sehen paviane im gras neben den gleisen sitzen. zum ersten mal seit luxor in aegypten wieder in einem zug, es ist grossartig, noch ein castle, und noch ein schnack mit anderen travellern. abends gibt es fisch und reis, serviert von uebellaunigen kellnern, und durchs fenster dringt das laermen von froeschen und insekten aus der nacht herein. das reisefieber hat uns wieder gepackt. -nbo

 

Ebony & Ivory
31.1.2005

Stickige Hitze schlaegt uns entgegen, als wir in Daressalaam an Land gehen. Die naechtlichen Regenguesse haben die Stadt in eine dampfemde Sauna verwandelt. Jeder Schritt treibt mir das Wasser aus den Poren und hinterlaesst dunkle Spuren auf meinen Klamotten. Ich schwitze nicht, nein, ich bin Schweiss. Nachts liege ich wach, die Luft klebt. Der Deckenventilator durchsaebelt die feuchte Hitze und laesst und laesst dicke Scheiben auf uns runterklatschen. In mir dreht sich alles, meine Gedanken zentrifugieren unter meiner Schaedeldecke, waehrend ich versuche, meine bisherigen Eindruecke von Afrika zu sortieren. Doch alles ist ueberladen und schwammig, die Luft, die Nacht, meine Gehirn. Draussen tobt wieder ein Sturm, der Regen prasselt auf die benachbarten Metalldaecher, die Voegel in ihren Kaefigen auf den Balkonen kreischen hysterisch. Fragen rauschen mir durch den Kopf, waehrend ich auf die kreisenden Rotorblaetter starre und die Unordnung immer groesser wird. Was habe ich mir voin dieser Reise versprochen, ein klareres Bild ueber diesen Kontinent, Erkenntnis oder einfach bloss eine Erfahrung? Hier in diesem Teil des afrikanischen Kontinents passt nichts zueinander. Solange Weisse hierherkommen, sind diese per se immer an allem Schuld. Und solange in Afrika die Kinder schwarz geboren werden, wird die Hautfarbe als Generalentschuldigung benutzt, fuer alles, weil es so schoen praktisch ist. Womit sie dann auf der Benachteiligungsskala ihrer Meinung nach ganz oben stehen. Ich frage mich, was wir hier eigentlich zu suchen haben. Ich komme mir hier ohnehin eher wie ein ungebetener Eindringling vor, denn als ein willkommener Gast. Was wuerde mit Afrika passieren, wenn sie die Tueren zum Westen fuer die naechsten 10 Jahre dichtmachen, um erstmal mit sich ins Reine zu kommen, ungeachtet der westlichen Massstaebe. Ist es dafuer vielleicht schon zu spaet? Der allgegenwaertige Rassismus in diesem Teil des Kontinents richtet sich allerdings nicht nur gegen die weisse Uebermacht, selbst innerhalb der einzelnen Laender sind sich die Staemme gegenseitig nicht gruen. In Aethiopien koennen sich die achtzig verschiedenen Staemme nicht als gemeinsames Volk fuehlen, in Kenia schlachten sie sich gar gegenseitig ab. In Tansania hat man sich darauf geeinigt, das gesamte Land dem Tourismus zum Fressen hinzuwerfen. Das bringt Ruhe in die 120 Staemme, weil so jeder etwas abkriegen kann. Political correctness wird hier jedenfalls nicht praktiziert und wirkt als westlichen Verstaendigungskonstrukt auch deplaziert. Nach 15.000 Kilometern, Sonnenbraenden und Mueckenstichen, die nicht mehr auf einen einzigen Koerper passen, bin ich keinen Zentimeter weitergekommen in meinem Wunsch, Afrika besser zu verstehen. Aber wahrscheinlich kann das auch nur, wer hier geboren wurde. Und zwar schwarz. nach Diktat verreist -dwo

 

snapshot #5 (double snapshot)
stone town, 30.1.2005

noch 30 minuten bis sonnenuntergang. auf der terrasse des africa house, des ehemaligen british club von sansibar, ist der baer los. 300 meist gestylte leiber luemmeln sich in schweren barsesseln, stehen am terrassengelaender, reden, schreien, lachen. alle stuerzen bier oder cocktails hinunter. sehen und gesehen werden, fleischbeschau, es ist wie eine mischung aus bar rossi und strandperle (fuer die nichthamburger: eine schickibar und "das" strandcafe an der elbe). nach monaten on the road im nahen osten und in ostafrika ist das fast ein kulturschock. ueberfluessig zu erwaehnen, dass sich ausser den kellnern kein sansibari in diesem sundowner-gelage tummelt. es ist der neue tourismus-kolonialismus, mit dollarscheinen in der hand, der die britischen kolonialherren von einst beerbt hat. szenenwechsel, 500 meter entfernt, 30 minuten nach sonnenuntergang: die forodhani-gaerten an der uferpromenade von stone town. zwanzig garkuechen bieten alles, was der indische ozean an leckerem herzugeben hat. riesige krebse, hummer, fische in allen groessen... sansibaris bummeln mit kind und kegel an den staenden entlang, es ist wochenende, zeit zum flanieren unter den ausladenden baeumen des gartens. wir setzen uns mit einer "zanzibar pizza" (ei, zwiebeln, hackfleisch in einer teigtasche frittiert) und tintenfisch an einen der plastiktische. ein aelterer sansibari spricht uns an und wundert sich, dass wir von den bevorstehenden wahlen gehoert haben. seit wann interessieren sich touristen fuer politik? wir fragen ihn nach dem tourismus und der kriminalitaet. der schurke kommt vom festland, stellt sich heraus. "die" tansanier seien es, die hier in stone town touristen ueberfallen und an den straenden das grosse geld machen. die doerfler wuerden selten zum zuge, wenn die inselregierung konzessionen fuer neue ressorts vergebe. das klingt nicht sehr begeistert. all is not well in zanzibar. -nbo

 


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