durch jordanien

service-taxi
zwischen damaskus und amman, 12.11.2004
eine "stadt"
amman, 12.11.2004
ramadan, einen monat völlerei
amman, 13.11.2004
ein tag auf dem wüstenplaneten
irgendwo in jordanien, 14.11.2004
der neue beduine
wadi ram, 15.11.2004
von aqaba nach nuweiba: die boat-people-erfahrung
17.11.2004



service-taxi
zwischen damaskus und amman, 12.11.2004

die fahrten werden langsam immer abenteuerlicher. weil täglich nur zwei busse von damaskus nach amman (jordanien) fahren, wollen wir ein service-taxi nehmen. das sind langstreckentaxis mit 4 bis 5 passagieren, aber nicht sehr teuer. am baramke bus terminal in damaskus kommt es beinahe zur schlägerei wegen uns. 10, 11 taxen warten.

als wir das tor passieren, sind wir sofort von einem haufen männer umringt, die uns ihren fahrpreis auf arabisch entgegenschreien. als wir uns für einen entschieden haben, kommt ein anderer auf uns zu und erklärt, er sei "no. 1" in der warteschlange. sieht ganz vernünftig aus, der typ. also geben wir ihm unsere pässe für die polizeiregistrierung (in syrien an jedem busbahnhof obligatorisch) und packen unsere rucksäcke in seinen kofferraum. drei minuten später wüstes geschrei. unser taxifahrer und der, zu dem wir zuerst wollten, fassen sich am kragen, umringt von anderen.

irgendeiner kommt und sagt "change taxi". wie jetzt? nach kurzem zögern holen wir wieder unser gepäck aus dem kofferraum. also gut, dann fahren wir eben mit dem anderen. es geht los. nach fünf minuten hält unser neuer fahrer mitten auf einer dreispurigen ausfallstrasse. natürlich auf der mittleren spur. eine hand am handy, rennt er zum kofferraum. dann reisst er die tür auf und ruft "change taxi". aha. hinter unserem wagen hat ein anderes taxi gehalten, in das wir ratlos umsteigen. dann geht es endlich raus aus der stadt. eine stunde später halten wir wieder, am rande der autobahn, wo ein älterer mann wartet. der junge steigt aus, der ältere übernimmt das steuer. wir quittieren es nur noch mit achselzuckend. zweieinhalb stunden später sind wir wohlbehalten in amman. -nbo


eine "stadt"
amman, 12.11.2004





was für eine farce von einer stadt. stellt euch zehn hügel in einer steinwüste vor mit engen tälern dazwischen, und dann lässt jemand häuser vom himmel regnen. plötzlich sind die hügel und täler völlig regellos mit häusern bedeckt. ein zentrum ist nicht zu erkennen. also zeigt der allmächtige mit dem finger auf irgendein tal und sagt: "downtown". so muss amman entstanden sein. hässlich, dreckig, stickig, eng, unüberschaubar, mir fallen gar nicht genug schlechte eigenschaften ein.

wir bleiben nur eine nacht. nicht ohne eine weitere farce namens "irish pub" am ende der stadt besucht zu haben. eigentlich wollten wir uns eine entschädigung für unser hotel gönnen, das vor vier jahren noch "spotlessly clean" gewesen sein soll, laut lonely planet. heute ist es ein loch. und der irish pub? wird von einem lispelnden jordanier geschmissen, es läuft übelster kindertechno. einziger gast ausser uns: ein durchgeknallter amerikaner, der in jidda (saudi-arabien) als lehrer arbeitet, nur kiffen im kopf hat und noch nie - ich schwöre - noch nie von che güvara gehört hat (wir wiederholen den namen viermal, buchstabieren ihn, castro's mate, you know?). er arbeitet als - na, als was wohl? - GESCHICHTSlehrer! in einer stunde knallt er sich sieben whiskey cola rein. dann verabschiedet er sich: "I'll go for dancing in the disco." -nbo


Ramadan, einen Monat Völlerei
Amman, 13.11.2004

"Allah ist gross, beten ist besser als schlafen", ruft der Muhezzin von seinem Minarett. Es ist vier Uhr morgens und der Gläubige kniet nieder für sein Morgengebet gen Mekka. Nicht ohne sich vorher mit einer vollständigen Mahlzeit den Wanst vollzuschlagen, die bis zum nächsten Abend anhalten muss, legt er sich für vier Stunden aufs Ohr, um gegen zehn Uhr bei seiner Arbeitsstelle anzutreten, wie uns zwei deutsche Studentinnen aus Amman erzählen. Ermattet ob der schmalen Nachtruhe verlässt der Gläubige diese wieder gegen zwei Uhr mittags, um wenigstens bis zum Sonnenuntergang noch etwas Schlaf zu bekommen. Der  Ladenbesitzer hat es in dieser Hinsicht deutlich schwerer, denn er muss ohne Nachmittagsnickerchern durchhalten. "Allah ist mächtig", ruft der Mullah zum Abendgebet. Die Glaubensgemeinde kniet nieder und bekennt erneut, diesmal mit Pfützchen auf der Zunge, wegen des bevorstehenden Iftars, des allabendlichen Fastenbrechens.

Halb sechs abends, alle Restaurants zum Bersten voll, jegliches Leben auf den Strassen ist kurzzeitug erloschen, die Läden geschlossen. Denn jetzt beginnt der Höhepunkt des Tages, Feuer frei fürs Hochleistungsessen. Bis zu acht Gänge werden innerhalb kürzester Zeit bewältigt, betuchtere Familien legen dieses Ritual in ihre eigenen vier Wände.

Auf kulinarische Genüsse wird während des Ramadans nicht etwa verzichtet, nein, sie werden kurzerhand auf die Nacht verschoben. Ganz schön clever. Es wird gegessen, was das Zeug hält, alles, Süssigkeiten, die es nur im Monat des Verzichts gibt, spezielle Menüs, die magenschonend beginnen, um dann um so opulenter zu enden. Und damit die Kurzweil nicht zu kurz kommt, ist der Filmfilm von viertelvoracht in diesem Monat auf kurz vor Mitternacht verschoben worden, mit dem Essen sollte man bis dahin fürs erste durch sein. Man hält sich und die Kinder wach, es wird Karten gespielt und was sonst noch so möglich ist, um sich die Zeit zu vertreiben. Bis dann um vier Uhr früh der Mullah wieder zum Gebet ruft und man sich den Magen für die kommenden zwölf Stunden  vorm Zubettgehen nochmal ordentlich stopft. Nach der kurzen Nachtruhe gehts dann wieder zur Arbeit und es beginnt ein neuer Tag der Askese.

Das also ist Ramadan. Ehrlich gesagt habe ich mir den Fastenmonat, in dem Verzicht und Mässigung geuebt werden sollen, ganz anders vorgestellt. Aber heute ist "Eid al Fitr", das Fasten ist vorbei und es wird gefeiert wie bei uns zu Weihnachten. Und endlich werden wir nicht mehr scheel von der Seite angeguckt, wenn wir in der Öffentlichkeit mal einen unerhört unmässigen Schluck Wasser trinken, Prost. nach Diktat verreist -dwo


ein tag auf dem wüstenplaneten
irgendwo in jordanien, 14.11.2004





auf der autobahn zwischen ma'an und aqaba, im süden jordaniens, biegt unser guide mit dem jeep kurzerhand richtung osten ab. fährt einmal über den mittelstreifen, kein gegenverkehr in sicht, und zack! geht es in die arabische wüste hinein. zehn minuten später befinden wir uns auf dem "wüstenplaneten" (wer nichts damit anzufangen weiss, das ist der science-fiction-klassiker von frank herbert, heisst im original "dune"). gigantische schroffe felsmassive ragen abrupt wie inseln aus der endlosen weite auf, mal schwarz, mal braun, mal sandfarben. ab und zu erheben sich sanddünen aus der geröllebene. der himmel ist leer und klar, und obwohl die sonne brennt, schwitze ich nicht, so trocken ist die luft.

es ist, als ob ich in die polarebene von arrakis geschleudert worden bin, kurz vor dem schildwall, dem ringgebirge, hinter dem die gluthölle des wüstenplaneten beginnt und sandwürmer die dünen durchpflügen. von nahem entpuppen sich die felsen als grotesk erstarrte sandgebilde. versteinerte tropfen, die wie wachs irgendwann an den hängen heruntergelaufen sein müssen. die perfekte umgebung, um eines tages "dune"noch mal in der qualität der "herr der ringe"-trilogie zu verfilmen (david lynchs version von 1984 ist insgesamt missraten, und dem fernsehdreiteiler von vor drei jahren sah man das knappe budget an, alles war im studio gedreht). na gut, die wenigen grasbüschel müsste man wohl aus dem bild retuschieren.

die wüste ist für mich jedesmal wie ein vollwaschgang fürs gemüt. das ganze gerümpel wird aus dem kopf entfernt. -nbo


der neue beduine
wadi ram, 15.11.2004





wir haben zum zweiten mal einen interessanten guide: rehbi hasanat, der mann, der uns über den wüstenplaneten kutschiert. rehbi ist beduine und stammt aus der gegend um wadi ram im südosten jordaniens. "ein fisch kann nur im wasser leben", sagt er, "ich kann nur in der wüste leben." keine spur von koketterie dabei.

er würde nie im leben in einem gewässer schwimmen gehen. mit zehn jahren habe ihn einmal ein kamel in eine wüstenzisterne geschubst, das habe ihm gereicht. als er mal in aqaba am meer war, habe er kurz einen fuss ins meer gehalten. und keinen zentimeter mehr.

der mann ist die gelassenheit selbst. eine kippe im mund, ein schwarzes tuch um den kopf geschlungen, ein schlitzohriges lächeln. und obwohl er in modernen klamotten rumläuft - echt coole, knöchelhohe lederschuhe, armyhose und hemd - wirkt er nicht wie einer, der in der moderne gestrandet ist. die arabische musik, die er auflegt, ist frisch, mit einem guten beat, aber es ist nicht dieser cleane, überproduzierte ägyptische pop, der einem oft entgegenschallt.

abends am feuer fängt er mit zwei freunden an zu tanzen. abgefahren, was die drei da hinlegen: sieht für mich wie ein mischung aus sirtaki und schuhplattler aus. die jungs haben es voll raus. man kann ihnen lange dabei zuschauen. rehbi hat auch zwei jordanische familien eingeladen, es ist ja eid al fitr, das fest nach dem ramadan. ein haufen kinder sind dabei.

irgendwann nach dem essen schlägt uns einer der väter vor, bei einem grossen spiel mitzumachen. das spiel entpuppt sich als plumpssack. da sitzen wir handvoll touristen als nachts in der wüste mit 20 arabern ums feuer und spielen plumpssack. das geht eine stunde so, und es ist urkomisch. im hintergrund schleicht ein typ in beduinenkaftan und militärparka herum und schenkt tee aus, der typ sieht aus wie ein vetter von bin laden. dann reihen sich die männer zu einem neuen tanz auf, und rehbi macht den vorsänger. schlägt das linke bein über das rechte knie und hüpft einbeinig im takt seines sprechgesangs. die anderen antworten jedesmal mit einer eigenen zeile. das faszinierende an ihm ist, wie lässig er den spagat zwischen beduinentradition und westen schafft. weder lächerlich noch linkisch.

nebenbei bändelt er mit einer deutschen studentin an, die zur zeit in amman arbeitet. warum gibt es eigentlich nicht das bild des "bedouin lover"? rehbi ist ein guter prototyp dafür. -nbo


von aqaba nach nuweiba: die boat-people-erfahrung
17.11.2004

"you take fast boat or slow boat?" fragt uns der mann in der cafeteria im hafen von aqaba, als sich ein haufen wartender zum ausgang bewegt. "slow boat", antworte ich. und dann erleben wir mal, was langsamkeit bedeuten kann. um viertel vor zwölf mittags gehen wir an bord der fähre nach nuweiba (ägypten, sinai-halbinsel). der typ am fahrkartenschalter hat behauptet, das boot lege um zwölf ab. nichts da.

in den nächsten zwei stunden füllen sich erst mal die decks mit passagieren, bis auch der letzte quadratmeter belegt ist (im innern ebenso). es müssen locker 1000, 1500 menschen an bord sein. um zwei uhr fahren langsam die busse und laster in die fähre. um halb vier schauen selbst die araber auf die uhr. um halb fünf legen wir ab. es ist eine übung im nichtstun. jordanische dinar haben wir keine mehr, die cafeteria hat noch nicht auf. so sitzen wir stundenlang, ein königreich für ein bier, zu kauen haben wir auch nichts mehr, also rauchen wir hin und wieder ein zigarette, wie all die kettenraucher von arabern um uns herum. die sonne wandert, wolken ziehen auf, container werden auf dem kai hin und her gefahren, menschen kommen an bord.

wir betreiben notgedrungen zehenstudien. das ist kein spass. ich frage mich, ob die männer ihr leben lang keinen blick auf ihre füsse werfen. fussnägel, die lang wie schaufeln sind oder gar zerbröseln, rissige schwarze füsse. es sind wohl gedanken, die nur ein westlicher städter haben kann.

hinter uns liest ein junger typ singend koransuren vor. viele männer tragen das weisse gewand der mekka-pilgerer, offenbar sind sie auf dem rückweg von ihrer hadsch. der koran ist das einzige buch, das hier auf deck gelesen wird. als wir ablegen, beginnt ein junger vollbärtiger brillenträger mit strengem gesichtsausdruck, laut irgendetwas auf arabisch zu deklamieren. die menge wiederholt seine sätze im chor, und er fährt mit der intensität eines predigers fort. ich verstehe nur ein wort, safir, "reisend". eine halbe stunde später ertönt irgenwo auf dem deck ein sprechgesang. die weissgewandeten versammeln sich auf dem helikopterlandeplatz zum gebet. das halbe deck neigt sich in der abenddämmerung gen mekka. es ist unglaublich.

noch unglaublicher ist die ankunft in nuweiba. als wir uns bis zu den türen auf dem untersten deck vorgearbeitet haben, finden wir diese verschlossen vor. die besatzung hat sie kurzerhand abgeschlossen, damit erst mal die laster und die passagiere aus dem innern von bord gehen können. die menge vor den türen auf dem schmalen decksgang wird grösser, flüche sind zu hören, einige fangen an, sich im gedränge zu beschimpfen. es geht nicht vor und zurück, wir stehen körper an körper, wobei die frauen zum teil riesige pakete auf ihren köpfen balancieren. zehn minuten vergehen, zwanzig minuten, eine halbe stunde, die stimmung droht umzukippen. tausend mann warten an deck und dürfen nicht von bord. es ist so ein augenblick, in dem menschen zur gegängelten masse werden und vieles passieren kann.

als ein steward nach einer dreiviertel stunde die tür aufschliesst, hebt der ansturm sie fast aus den angeln. jetzt bloss nicht stolpern, geschweige denn hinfallen. nach einer weiteren viertelstunde geschiebe durch enge gänge, in denen bereits die abgase der abfahrenden laster stehen, sind wir draussen. und fix und fertig. neun stunden auf einer überfüllten fähre für eine überfahrt von schlappen 80, 90 kilometer. eine schreckliche übung in langsamkeit. -nbo


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