durch syrien

doch ein kulturschock
aleppo, 5.11.2004
naher ostblock
aleppo, 6.11.2004
im land der dicken taube
aleppo, 6.11.2004
in der moscheedamaskus, 11.11.2004
captainsdinner auf der "MS damaskus"
11.11.2004
hopper in syrien
damaskus, 12.11.2004
service-taxi
zwischen damaskus und amman, 12.11.2004



doch ein kulturschock
aleppo, 5.11.2004

heute sind wir in der arabischen welt angekommen. im so genannten nahen osten. ich dachte, ich sei von indien und südostasien schon viel gewusel gewohnt. aber der abendliche aufruhr in der innenstadt von allepo (im norden von syrien, zweitgrösste stadt) haut woldo und mich nach einem tag im bus voll um.

schon der grenzübertritt kurz zuvor war wie eine symbolische zäsur. nachdem wir am türkischen grenzposten unseren ausreisestempel bekommen haben, wollen wir weiter zum syrischen laufen. geht nicht: verboten. so sitzen wir rauchend im transit auf einem mäuerchen und warten auf einen wagen, der uns mitnehmen könnte (weil es nachmittags keinen direkten bus von antakya nach aleppo mehr gibt, sind wir auf eigene faust mit einem minibus an die grenze gefahren). gestrandet auf einem leeren parkplatz.

nach einiger zeit hält ein syrisches taxi. für 30 dollar könnten wir mit nach aleppo. wir winken ab, zu teuer. der fahrer geht mit dem preis runter: 20 dollar. nun stehen drei araber um uns herum und versuchen uns klarzumachen, dass am abend vom syrischen grenzposten nichts mehr nach aleppo fährt. "minibus finished". es ist dunkel. das war's dann mit unserer improvisation. wir steigen ein und passieren mit unserem visum erstaunlich schnell den grenzposten.

nur 50 kilometer sind es dann bis aleppo, aber es ist, als ob man in einer anderen welt ankommt. auf den strassen dominieren die männer, manche in kaftanen und sogar mit beduinentüchern auf dem kopf. frauen ohne kopftuch kann man an beiden händen abzählen. viele laufen in den traditionellen schwarzen gewändern herum, bei einigen sieht man nur noch die augen (aber manchmal mit sorgfältig gezupften augenbrauen).

ich fühle mich als analphabet. nicht nur sind alle schilder in arabischer schrift, sondern auch die zahlen in arabischen ziffern geschrieben. menschenmassen schieben sich an diesem freitagabend, der ja unserem sonntag entspricht, durch eine enge fussgängerzone. körper an körper, es ist fast kein durchkommen. verkäufer schreien, neonlichter blinken. alles ist anders. aber irgendwie atemberaubend. jetzt beginnt das abenteuer "no sleep till kapstadt". die letzten drei wochen waren dagegen nur eine aufwärmübung. -nbo


naher ostblock
aleppo, 6.11.2004




das ist also das vielgepriesene aleppo, die stadt an der seidenstrasse, das tor der mediterranen welt nach asien. bei tageslicht, und das ist nicht viel an diesem grauen tag, sieht es mehr nach 40 jahren arabischer staatswirtschaft aus. die alten häuser in der innenstadt sind von einer russschicht überzogen. am strassenrand weht müll hin und her. die hälfte des verkehrs sind taxis. autos sind so unerschwinglich wie einst im ostblock: sogar für einen lada muss man 20.000 euro hinblättern, wie wir von einem taxifahrer hören.

und dumm, dass heute feiertag ist. wir haben nur das bisschen geld, dass uns der pfiffige typ vom hotel geliehen hat. in der einzigen bank, die wir finden - natürlich eine staatliche syrische bank -, ist zwar betrieb, aber geld wird hier heute nicht gewechselt. ein bankmensch schickt uns zu einem exchange am al-jabri-platz, aber da ist keiner. nach einer dreiviertel stunde versuchen wir unser glück im hotel baron, einem bau mit dem flair vergangener zeiten.
mr. walid geleitet uns angesichts der devisen strahlend zu den sofas in der lounge, als wir geld wechseln wollen (das ist privat eigentlich verboten - ähnlich wie früher im ostblock, immerhin können die syrer bei ihrer bank devisen bekommen). er gibt uns einen günstigen kurs und will uns auch gleich noch eine taxifahrt nach beirut verkaufen. 100 dollar sind aber etwas tough. denken sie darüber nach, sagt er, kommen sie doch heute abend in die bar. kein problem, es ist ja die einzig brauchbare in ganz aleppo.

nach drei stunden im gewusel der souqs gehen wir erst mal zurück in den innenhof des hotels. der einzige öffentliche raum in dieser stadt, an dem man mal einfach sein kann, sind offenbar die kaffeehäuser. für frauen gilt: "wir müssen draussen bleiben". super idee.

im hotel schlage ich die "syria times" auf und staune nicht schlecht: eine ganze seite widmet das blatt einer unglaublichen hetztirade gegen isräl. da wird tatsächlich das angebliche "protokoll der weisen von zion" als quasi wissenschaftlicher beleg für die weltherschaftspläne der juden zitiert. dabei ist seit hundert jahren bekannt, dass dies eine fälschung war, die antisemiten den juden in die schuhe schoben, um ihre politik zu rechtfertigen. echt harter stoff. -nbo


Im Land der dicken Taube
aleppo, 6.11.2004

Ich bin nun wahrlich keine Frauenrechtlerin, aber was ich hier sehe, geht mir zu weit, und zwar eindeutig. Mein anfängliches Staunen über die strikte Befolgung der Verhüllung weicht einer immer stärker werdenden stillen Aggression, denn eine Provokation würde hier sowieso keiner verstehen.

Trotzdem ich meinen Kopf aus Respekt gegenüber der anderen Kultur mit einem Nickituch bedeckt halte, werde ich behandelt wie Dreck. Ach nicht mal das, eher wie Luft. Mir werden mit direktem Blickkontakt Türen in die Rippen gestossen und auf dem Bürgersteig nicht nur einmal die Ellenbogen von den gerade mal schulterhohen Arabern in den Busen gerammt. Mit Berührung scheinen sie hier keine Probleme zu haben. Sie geifern mich unverholen an, denn meine Kinnpartie samt Nase ist zu sehen. Sogar begrabbelt werde ich hinterrücks, mir schwillt der Kamm!

Schon die These "Die Frau gehört an den Herd" finde ich bestreitbar. Aber "Die Frau gehört an den Herd und in den Sack" ist für mich eine eindeutige Verletzung der Menschenwürde. Nur damit ausserhalb der eigenen vier Wände kein anderer Mann sie zu Gesicht bekommen soll.

Was soll das? Um dadurch die soziale Ordnung zu befrieden, weil Mann sein Geschlechtsteil nicht im Griff hat? Ja laufen denn bei uns ständig alle mit einer Dauererektion herum? Und warum muss diese Unfähigkeit dann auf dem Rücken oder besser gesagt dem Kopf der Frau ausgetragen werden? Wenn Frau das Haus verlässt, hat sie sich zu verschleiern mit trostlosem Schwarz, manchmal sogar komplett wie Huibuh das Schlossgespenst, so dass man nicht mehr weiss, ob sie gerade mit dem Rücken oder dem Gesicht zu einem steht.

Bei einer Teilglatze, einer Gesichtsrose oder ähnlich Störendem kann diese Maskerade vielleicht von Vorteil sein, aber wenn eine Gesellschaft es Frauen von vorne herein vorschreibt, empfinde ich das als einen massiven Eingriff in ihre Persönlichkeit. Und dieselben Männer, die von ihren Frauen das strikte Befolgen des Vermummungsgebotes verlangen, geilen sich an den blonden Bikinischönheiten auf, die auf den Fernsehern der Restauraunts als Dauerberieselung in Musik-Clips zu sehen sind. Beschissene Doppelmoral.

Aber was ist mit den jungen Frauen? Verhängen sie sich, um dadurch bessere berufliche Möglichkeiten zu haben? Um Reibungsverluste mit Familie oder Chef zu vermeiden? Ich nenne das opportun und den Weg des geringsten Widerstandes. Vielleicht tun sie sich irgendwann einmal zusammen und hauen ordentlich auf den Putz. Die weiblichen Generationen nach ihnen werden es ihnen danken. Wahrscheinlich muss man sein Leben hier verbracht haben, um diese Ungerechtigkeit und diesen Mummenschanz zu verstehen. Ich jedenfall bin heilfroh, dass meine Seele in die westliche Kultur hineingeboren wurde! nach Diktat verreist -dwo


in der moschee
damaskus, 11.11.2004





ich bin noch nie in einer moschee gewesen. die erste ist die omayyaden-moschee in damaskus. viertheiligste stätte des islam (nach mekka, medina und dem felsendom in jerusalem). ich muss sagen, ein guter ort. im innern ist alles mit dicken teppichen ausgelegt. kronleuchter hängen von der decke. einige beten. andere halten ein nickerchen oder diskutieren leise. ein hort der ruhe und kontemplation in der brodelnden unruhe einer arabischen grossstadt. aber viel ungezwungener als in einer kirche, und nicht so feierlich wie in einem buddhistischen tempel.

die moschee ist der öffentliche raum der stadt, den ich sonst so vermisse. keiner schaut einen komisch an, wenn man als offensichtlicher nicht-moslem hier ist. man kann das nicht laut genug sagen in dieser vergifteten zeit, in der der islam unter generalverdacht steht.

ich will auch nichts schönreden: der islam hat natürlich ein elitäres selbstbild. in istanbul habe ich mir den koran auf deutsch als reclam-ausgabe gekauft. wann, wenn nicht jetzt, einen blick in das "buch der bücher", wie es die araber sehen, hineinwerfen? weil der islam nicht von philosophen und dichtern erdacht wurde, sondern als gottes unmittelbares wort gilt, ist er nur in der arabischen originalfassung "der" koran, sagen die islamischen theologen. unübersetzbar. gott hat zur menschheit auf arabisch gesprochen. alle übersetzungen sind nur annäherungen. historische textkritik ist nicht nur überflüssig, sondern auch sinnlos. als rationaler westler, der ich nun mal bin, erst recht als aus der kirche ausgetretener katholik, kann ich das nicht akzeptieren. muss es als absurd zurückweisen.

sei's drum: die omayyaden-moschee gefällt mir. ihre atmosphäre. der islam k a n n auch sehr tolerant sein, sehe ich. die militanten sind nicht alles. es ist übrigens bemerkenswert, dass im osmanischen reich jahrhundertelang echte religiöse toleranz herrschte, als in europa, etwa in der bartholomäus-nacht in frankreich, protestanten (hugenotten) abgeschlachtet wurden. der islam ist widersprüchlich, keine frage. aber mit einerm einfachen schwarzweissraster nicht zu ergründen. woldos zorn auf die missachtung der frau ist allerdings völlig gerechtfertigt. aber diese ist nur ein teil des puzzles. -nbo


Captainsdinner auf der "MS Damaskus"
11.11.2004





Rosa Tischdeckchen im vorderen Teil des Glaspavillons, der restliche Bereich in feinem Leinen mit Blümchendekor auf jedem Tisch. Eine Athmosphäre wie auf dem Traumschiff. Dezente Piano-Konservenmusik rieselt aus den Lautsprechern. Der Maitre de nimmt die Bestellung auf und sofort hüpft einer der zehn befrackten Helferlein herbei und beglückt uns mit den Vorspeisen. Frische Radieschen, Minze, Karotten und Oliven. Bis auf unseren Nachbartisch ist der Laden menschenleer.

Die Belegschaft steht vor dem obligatorischen Deckenfernseher und starrt gespannt auf einen Bericht über Arafats Aggregatszustand. Leichter, duftiger Safranreis, elegant gewürzt mit Kardamom, Rosinen und Mandeln wird gereicht, dazu ein Huhn, das bei der ersten Berührung mit der Gabel vom Knochen fällt. Auf dem anderen Teller gebratene Lammkoteletts, die Masstäbe setzen, Möhrchen, Bohnen und Schmorkartöffelchen, die ihresgleichen suchen. Währenddessen immerzu Richard Clayderman, jetzt eine Variation von Bryan Adams "Everything I do".

Zum Abschluss  eine dezent mit Rosenwasser abgerundete Pudding-Nachspeise unter einer Pistazien-Nusshaube, dazu arabischer Kaffee mit Kardamom. Opulente Obstteller kreisen. Das alles bekommt man, wenn man in Damaskus einmal stolze acht Euro auf den Kopf haut. Der Maitre de, der sein Gesicht nur ein einziges Mal zu einem Niessen verzogen hat, wünscht uns eine gute Nacht. Wir gehen von Bord des Restaurants Al Kamal, hinaus in die Flün der syrischen Grossstadt. nach Diktat verreist -dwo


hopper in syrien
damaskus, 12.11.2004

es ist schwer genug, in syrien eine bar zu finden, in der man beim bier alles entspannt sacken lassen kann. am märtyrerplatz in damaskus gibt es immerhin die karnak-bar. was für ein ort. das ambiente hat wahren ostblockcharme. hier sitzen die anonymen alkoholiker der stadt. an einzelnen tischen sitzen ernste, schweigsame männer. schauen rauchend auf den märtyrerplatz und nehmen einen schluck aus dem whiskeyglas. mindestens drei haben einen gläsernen flachmann auf dem tisch stehen. vor anderen reihen sich leere bierflaschen, während sie geistesabwesend ihr brot ins hommus tunken. der kellner ist total gelangweilt, der raum von grellen neonröhren erleuchtet. es ist sozusagen die damaszener variante von edward hoppers berühmtem bild "nighthawks". -nbo


service-taxi
zwischen damaskus und amman, 12.11.2004

die fahrten werden langsam immer abenteuerlicher. weil täglich nur zwei busse von damaskus nach amman (jordanien) fahren, wollen wir ein service-taxi nehmen. das sind langstreckentaxis mit 4 bis 5 passagieren, aber nicht sehr teuer. am baramke bus terminal in damaskus kommt es beinahe zur schlägerei wegen uns. 10, 11 taxen warten.

als wir das tor passieren, sind wir sofort von einem haufen männer umringt, die uns ihren fahrpreis auf arabisch entgegenschreien. als wir uns für einen entschieden haben, kommt ein anderer auf uns zu und erklärt, er sei "no. 1" in der warteschlange. sieht ganz vernünftig aus, der typ. also geben wir ihm unsere pässe für die polizeiregistrierung (in syrien an jedem busbahnhof obligatorisch) und packen unsere rucksäcke in seinen kofferraum. drei minuten später wüstes geschrei. unser taxifahrer und der, zu dem wir zuerst wollten, fassen sich am kragen, umringt von anderen.

irgendeiner kommt und sagt "change taxi". wie jetzt? nach kurzem zögern holen wir wieder unser gepäck aus dem kofferraum. also gut, dann fahren wir eben mit dem anderen. es geht los. nach fünf minuten hält unser neuer fahrer mitten auf einer dreispurigen ausfallstrasse. natürlich auf der mittleren spur. eine hand am handy, rennt er zum kofferraum. dann reisst er die tür auf und ruft "change taxi". aha. hinter unserem wagen hat ein anderes taxi gehalten, in das wir ratlos umsteigen. dann geht es endlich raus aus der stadt. eine stunde später halten wir wieder, am rande der autobahn, wo ein älterer mann wartet. der junge steigt aus, der ältere übernimmt das steuer. wir quittieren es nur noch mit achselzuckend. zweieinhalb stunden später sind wir wohlbehalten in amman. -nbo


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