von kyela (tansania, kurz vor malawi) nach tofo (mosambik)

phiesta in nkhata bay
3.2.2005
dr. viwanda
nkhata bay, 7.2.2005
trainingslager für philanthropen
auf dem malawisee, 8.2.2005
tropische kreuzfahrt
monkey bay, 9.2.2005
ein tag in monkey bay
10.2.2005
afrika lebt
blantyre, 11.2.2005
Bächtig möse
Blantyre, 12.2.2005
hähnchen und politik bei mrs makhumula
blantyre, 13.2.2005
ostafrika-schnipsel
14.2.2005
galao in tete
14.2.2005
veilchen ohne schlägerei
vilanculo, 16.2.2005
planet mozambique
vilanculo, 16.2.2005
vaffanculo vilanculo
tofo, 17.2.2005



phiesta in nkhata bay
3.2.2005





früh morgens überqueren wir mit james und dawn, den engländern, die grenze zwischen tansania und malawi. neues land, neues glück. vor dem grenzhäuschen rauchen drei kanadier eine zigarette, und zack, beschliessen wir, zu siebt weiter zu fahren. kurzerhand mieten wir einen ganzen minibus nach süden.

zwei der kanadier haben eine deutsche mutter: norbert und karl, der sich als begnadeter eisbrecher entpuppt. ein dummer spruch, ein witz, ein lächeln, und jede situation entspannt sich augenblicklich. zum beispiel, als ein polizist unseren minibus anhält und den fahrer und seinen schaffner (hier gehören ja immer mindestens zwei zur besatzung) zu 2000 kwacha (20 dollar) verdonnern, weil ein scheibenwischer fehlt. nicht dass das den ersten polizeiposten auf unserem weg gestört hätte.

aber dieser hat offenbar die gunst der stunde erkannt: wo mzungu drin sitzen, fährt viel geld vorbei. und an einem afrikanischen minibus wird man immer einen grund für ein bussgeld finden. als fahrer und schaffner lang und breit mit dem bullen verhandeln, tritt nun karl in aktion. er behauptet, nico, der dritte kanadier im bunde, habe hohes fieber, wir hätten es sehr eilig.

nico schläft zwar nur, aber der spruch wirkt, und weiter geht's. schneller wird die fahrt aber nicht. der minibus ist total rott und keucht auf einem zylinder die hänge am ufer des malawi-sees hoch.

am spätnachmittag erreichen wir endlich nkhata bay (james und dawn haben wir in mzuzu verabschiedet). eine kleine quirlige hafenstadt am malawi-see, mit dick zugewachsenen ufern, die zum wasser hin abfallen wie an der cote d'azur. nach dem dritten "green", wie das in malawi gebraute carlsberg genannt wird, dreht karl eine tüte. wir sitzen in einer lauen sommernacht unter bäumen hoch uber dem see und hinten, auf der anderen seite uber mosambik, zucken blitze durch den nachthimmel. wir hören endlich unsere gute alte ska-CD, "I want justice", erzählen viel quatsch und lachen noch viel mehr.

zum ersten mal seit unserem abschied auf dem dammtor-bahnsteig vergesse ich, in der ferne zu sein. karl, den wir "curry-kalle" taufen (wegen seines nachnamens kouri), norbert, der so herrlich "this is pure shit, man" fluchen kann, und nico entpuppen sich als phiestaner im geiste. kein wunder: le plateau ist für montreal das, was st. pauli für hamburg ist. der phiesta-spirit ist international. -nbo


dr. viwanda
nkhata bay, 7.2.2005





"ich bin kein hexendoktor, den namen habt ihr mir gegeben", sagt william alias dr. viwanda lächelnd mit dem hauch eines vorwurfs. "ich bin ein naturheiler." "ihr", das sind die europäer. naja, meine ich, das seien doch wohl eher unsere grosseltern gewesen.

william dürfte so um die 40 sein. in seiner "chapika"-arztpraxis in kakumbi, einem dorf oberhalb von nkhata bay, bringt er die einheimischen wieder auf vordermann. der unterschied zwischen hexendoktor und naturheiler ist für ihn eine frage der ehre. denn hexendoktoren, klärt er uns auf, beschränken sich darauf, böse geister auf arglose menschen zu hetzen.

er als naturheiler hingegen will alles, was die leute quält, aus ihren körpern und auch seelen vertreiben. dazu sammelt er in den umliegenden wäldern wurzeln, blätter und baumrinden. mahlt sie zu einem schwarzen feinen pulver, dass dieselbe wirkung wie aspirin hat. sagt er. gut möglich, das in dieser mischung aus mehr als 20 pflanzen viel salicylsäure drin ist wie in aspirin. dieses wie seine praxis chapika genannte pulver ist williams allzweckarznei gegen kopfweh, schmerzen, fieber...

stressgeplagten, falls es die in nkhata bay geben sollte, können mit einem trunk zur ruhe kommen, in dem das extrakt zweier wurzeln - lipulanda und subala - steckt. ein anderes wurzelpulver hilft gar gegen malaria.

aber dr. viwanda hat auch so manche obskure behandlung im angebot. in einem fläschchen schwimmen ein paar münzen in einer nach terpentin riechenden flüssigkeit. das mittel werde verabreicht, wenn jemand glück brauche, zum beispiel ein gutes geschäft abschliessen wolle. einfach ein paar tage vor dem grossen augenblick ein wenig auf den kopf reiben und warten, bis das glück wirklich lacht. meningitis wird angeblich dadurch geheilt, dass man dem kranken einen strick um den hals legt. recht straff, bis die krankheit verschwindet. und wer sich vor der verwünschung eines hexendoktors schützen will, kann sich von dr. viwanda zehn kleine schnitte an verschiedenen körperstellen beibringen lassen, in die dieser dann ein pulver streut.

der übergang von der chemie zur magie ist bei dr. viwanda fliessend. aber in seinem weltbild trennt man nicht harte fakten und weiche mythen. alles gehört zusammen. selbst als exorzist verdingt er sich manchmal. dann wird die von den geistern der vorfahren heimgesuchte person einer zwei- bis dreistündigen trancesession unterzogen, bis dr. viwanda mit den geistern direkt kommunizieren und sie vertreiben kann.

er selbst sei mit 18, 19 voller böser geister gewesen, erzählt er, habe nur mist erzählt und sich von der dorfgemeinschaft abgesondert. dann ging er anderthalb jahre nach simbabwe, wurde geheilt und lernte selbst die naturheilerei. in kakumbi sorgt er für das wohlergehen der dörfler seit zehn jahren. natürlich nicht aus reiner selbstlosigkeit.

wer zu dr. viwanda kommt, muss auch zahlen. eine dreitägige behandlung mit dem chapika-pulver kostet 100 kwacha, etwa einen dollar. klingt billig, aber es ist ein fünfzigstel eines durchschnittlich schlechten monatseinkommen in malawi. das ist so, als ob bei uns eine schlichte aspirinkur 30 euro und mehr kostet. für eine glücksbehandlung mit seiner münz-tinktur nimmt er gar 300 kwacha. wenn das keine schwarze, ja kapitalistische magie ist: geld zieht geld an. das ist im westen auch nicht anders. -nbo

trainingslager für philanthropen
auf dem malawisee, 8.2.2005

zwei monate fahren wir nun schon durch ostafrika. und mit jedem kilometer verstehen wir weniger. die oberfläche ist phantastisch, rift valley, savannen mit zigtausenden von tieren, tropische palmenstrände, überbordende märkte, menschen in bunten gewändern, moscheen und kirchen selbst in der hintersten halbwüste. das auge schlingt und schlingt, bis mir flau wird von all den eindrücken.

aber afrika selbst scheint mir dabei zu entgleiten, ja mich zurückzuweisen, je näher ich mich herantaste. keine spirituelle faszination schlägt mich in ihren bann wie in asien. stattdessen fühle ich den kolonialismus von einst wie einen bumerang auf mich niedersausen, mich den mzungu, den faranji, weiss wie ein leuchtturm, der sich nicht verstecken kann.

ich will nur beobachter sein und werde überall auf meinen vermuteten geldsack hin abgescannt. jedes gespräch, jede hilfsbereite geste endet in einer ausgestreckten hand. ostafrika am anfang des 21. jahrhunderts ist mir ein unentwirrbares knäuel aus träumen von einem besseren leben, latenter gewalt, enttäuschung und ausbeutung.

mir brennt sich ein bild ein, wieder und wieder: von menschen - eigentlich sind es fast immer junge männer -, die am strassenrand warten und nicht wissen, worauf. alte menschen sind eine rarität, die jungen dafür allgegenwärtig mit ihrer gier nach leben, ihrer rohheit, ihrem machismo und ihrem nicht-wissen-wohin-mit-sich. nicht anders als bei uns, nur in einem ausmass, das ich von zuhause nicht kennen. ostafrika, das sind künstliche nationen in einer kollektiven pubertät.

der westen leuchtet und ist doch verhasst, weil zu mächtig, so erwachsen, brutal und gütig zugleich, eine unerträgliche anmassung, die auch allzu oft wahr ist. und gerade deshalb eine allzu billige entschuldigung. "but what can we do?" und "this is africa" sind die ewigen letzten worte, wenn wieder etwas irreparabel im eimer ist, wenn eine neue einheimische elite zur nächsten bereicherungswelle ansetzt und der geldstrom des westens verdunstet, bevor er ein pflänzchen in der provinz benetzen konnte, wenn man seinen arsch nach 24 stunden "ass working" wieder nicht hochbekommen hat.

afrika, ja gerade ostafrika, war die wiege der menschheit, und hier liegt auch die zukunft. denn irgendwo zwischen baobabs und akazien und grashütten muss die frage beantwortet werden, ob und wie hass und gewalt überwunden und ein gutes leben auch für die dreiviertel der menschheit möglich sein kann, die nicht im westen geboren wurden. wir westler haben keine überzeugenden antworten mehr, haben auch lange genug den klugscheisser gespielt.

uns bleibt nur eins: nicht auch noch in nihilismus zu verfallen, mit dem unser kanadischer freund curry-kalle seine afrikärfahrung resümiert, und gleichzeitig mit diesem philanthropischen flanieren und posieren auf dem laufsteg intellektuellen goodwills zuhause aufzuhören. kümmern wir uns lieber um unseren eigenen mist, der sich im westen hoch genug auftürmt. ich für meinen teil werde mich bis auf weiteres der konsequenten "lokalisierung" verschreiben. no sleep till pauli. -nbo


tropische kreuzfahrt
monkey bay, 9.2.2005





um sieben uhr abends gehen wir in nkhata bay an bord der "ilala". knapp zwei tage "tropische kreuzfahrt" liegen vor uns, ans südende des malawi-sees. james und dawn sitzen schon auf dem erste-klasse-deck (jaja) in korbsesseln. wo man auch hinkommt auf dem pfad nach süden, man trifft ständig bekannte gesichter. wir trinken ein paar greens mit ihnen und nicken schliesslich auf unserer matratze ein.

zwei stunden später geht der erste wolkenbruch los, der wind treibt das wasser auch unters riesige sonnensegel, unter dem wir liegen. an schlaf ist nicht mehr zu denken. wir flüchten aufs kabinendeck, wo sich die restlichen traveller zusammenkauern. mitten in der nacht erreichen wir dann likoma island.

das deck leert sich schlagartig. die traveller gehen von bord. wir erhaschen ein paar stunden schlaf und finden uns am nächsten morgen allein auf dem deck wieder. woldo zündet geburtstagskerzen für mich an, und ein kaffee bringt uns wieder auf die beine. wir spannen unsere hängematte auf und passieren entlegene stranddörfer am ostufer in mosambik. weil das wasser zu seicht ist, werden die rettungsboote herunter gelassen und bringen brüllende ziegen, fracht und passagiere an den strand.

ein junger typ ist mit dem zurückkehrenden boot an bord gekommen, springt kurz vom deck ins wasser und schwimmt zurück an den strand. gute idee, denke ich, und gönne mir beim nächsten halt eine geburtstagsdusche. fünf meter tief fliege ich ins klare grünliche wasser, vorbei an verdutzten afrikanern auf dem unteren deck, und klettere wieder an bord.

in der ferne ballen sich schon neue gewitterfronten zusammen, hinter denen die sonne verschwindet. die bar auf unserem deck ist geschlossen, ausser uns ist dort niemand mehr, der noch trinken würde. wir köpfen zur feier des tages einen rotwein und geniessen den frieden dieses riesigen, stillen sees, auf dem selten ein anderes boot zu sehen ist.

die stille währt nicht lange - um ein uhr nachts reisst uns ein höllenunwetter aus dem schlummer. die ilala fährt jetzt direkt durch ein gewaltiges gewitter, rechts und links schlagen blitze in den see ein und tauchen für sekundenbruchteile die regengepeitschte oberfläche in grelles unwirkliches licht. der donner ist ohrenbetäubend. das gesamte deck ist triefnass und woldo und ich ducken uns in die letzte trockene windgeschützte nische an der bar. nach einer stunde haben wir den tropischen gewittersturm überstanden. ich klettere wieder in die hängematte, woldo legt sich auf die bank daneben.

als wir aufwachen, ist die sonne schon wieder über dem mosambikanischen ufer im osten aufgegangen. ein neuer tag auf dem see hat begonnen. ankern, boote zu wasser lassen, fracht aufnehmen, so geht es stunden lang weiter am malawischen westufer entlang, bis wir nachmittags monkey bay erreichen. seelengewaschen gehen wir von bord. -nbo


ein tag in monkey bay
10.2.2005





es ist die perfekte oase des friedens. ein breiter strand mit palmen in einer lang geschwungenen, eingerahmt von grünen hügeln. in der ferne überragt eine schroffe bergkette den malawi-see. fischer lassen ihre einbaum-kanus ins wasser, kinder planschen. niemand nimmt notiz von uns zwei mzungus, die im "venice beach", dem einzigen güsthouse weit und breit, ihren kaffee trinken. kein gequatsche, keine verkäufer.

als im hintergrund eddy grants "gimme hope joanna", der anti-apartheid-song von 1988, läuft, geht eine frau gemessenen schrittes unter einem aufgespannten sonnenschirm den strand entlang. stolz. in diesem augenblick scheinen apartheid, kolonialismus, rassismus und das afrikanische elend nur fernes echos düsterer zeiten zu sein. hier in monkey bay treffen wir wieder auf das afrika, von dem wir leichtfertig geträumt haben.

auf dem fussballacker hinter dem dorf spielen die schulmannschaften von monkey bay und mangochi gegeneinander. die spieler umkurven kleine palmenstummel, die auf dem spielfeld wachsen. das publikum ist bereits in partylaune, am spielfeldrand probieren die mangochier stage diving, denn ihr team führt mit 1:0, und es sind nur noch wenige minuten zu spielen. auf der dorfstrasse erschallen die unvermeidlichen beats, und in einigen bars werden die ersten greens geköpft.

so muss sansibar vor 30 jahren auch mal gewesen sein. die monkey bayer können glücklich sein, dass der touristenscheiss noch nicht über sie gekommen ist. -nbo


afrika lebt
blantyre, 11.2.2005

wir sind nicht verschollen. nein, wir waren nur die letzten zwei wochen offline und sind heute sehr entspannt in blantyre, der industriestadt malawis, angekommen. nach gut einer woche in diesem kleinen land um diesen riesigen see können wir euch allen nur empfehlen: kommt bloss hierher. hier ist noch pures afrika.


Bächtig möse
Blantyre, 12.2.2005

Nach vielen bemerkenswerten Eindrücken in Malawi bleibt mir einer am nachhaltigsten in Erinnerung: der Fischgeruch in meinem Rucksack, der sich während der Fahrt von Mangochi nach Blantyre ausgiebig in einer Fischlache auf dem Boden vom Minibus suhlen darf und ordentlich damit vollgesogen hat. Als ich den gelangweilten Fahrer beim Aussteigen streng frage, was er denn davon hält, meint dieser nur: „ I don’t know, can you forgive me?“ Mensch nein, natürlich nicht, du alte Knalltüte! Fällt hier denn keinem mal was besseres ein als andauernd dieser beharrliche Stumpfsinn? Oh Herr, wirf Hirn vom Himmel. Und vielleicht auch ein kleines Päckchen Waschpulver? nach Diktat verreist –dwo


hähnchen und politik bei mrs makhumula
blantyre, 13.2.2005

wenn im doogle's, dem in-backpacker von blantyre die musik zu schlecht wird (marusha, oh shit) und der hunger drückt, bleibt nur die flucht. raus aus der stacheldrahtbewehrten trutzburg für traveller und reiche malawier, über die strasse und ins "safari restaurant".

aus krächzenden boxen dröhnt ein übersteuerter radiosender, und hinter der theke warten mrs makhumula und ihre enkelin auf hungrige. ah, ein green bitte, und dazu ein ganzes hächnchen mit nsima, der malawischen polenta. mrs makhumulas hähnchen schmecken phantastisch. wir erzählen ihr, wie traurig die mageren legehennen in deutschland schmecken. "ich züchte sie selbst, und sie bekommen bei mir gemüse und gutes futter", sagt die grauhaarige alte dame. und wenn wir unsere zähne in den flattermann schlagen und wohlig brummen, strahlt sie. die hähnchen können es locker mit dieser gaststätte in kreuzberg, "neue welt" oder so, aufnehmen, die in berlin als beste hähnchenbraterei bekannt ist.

aber mrs makhumula ist mehr als nur die chefin des "safari restaurant". letztes jahr hat sie sich als unabhängige kandidatin für das malawische parlament zur wahl gestellt. hat am ende nicht gereicht, sagt sie, denn allein gegen die grosse politik anzukommen, das geht auch in malawi nicht. vom neuen präsidenten bingu wa mutharika hat sie allerdings eine hohe meinung. am anfang hätten alle gedacht, er sei nur eine marionette des alten präsidenten muluzi gewesen. "aber im letzten jahr hat er gezeigt, dass er wirklich mit der korruption schluss machen will." er habe nicht interveniert, als nach und nach politiker, ja sogar minister seiner regierung angeklagt wurden, sagt mrs makhumula.

man wünscht sich solche frauen überall in ostafrika an der macht. resolut, würdevoll, integer. das wäre schon mal ein anfang. als wir sie auf die "lost generation" ansprechen, lächelt sie. nein, die jungen männer hätten es tatsächlich nicht so mit dem arbeiten. ihr vater und ihr grossvater seien da noch ein anderer schlag gewesen. "die haben hart gearbeitet und auch die feldarbeit gemacht", sagt sie. "damals haben die frauen sich noch mehr auf die hausarbeit konzentriert." heute machen die frauen in ostafrika fast alles: familie, geschäft, markt, landwirtschaft... "aber früher ist auch die arbeitslosigkeit noch nicht so hoch gewesen", fügt sie wie zur entschuldigung der jungen männer von heute an. -nbo


ostafrika-schnipsel
14.2.2005

fangen wir mal nicht mit bier und zigaretten an. bleiben wir beim saft. kaum hatten wir die grenze zwischen kenia und äthiopien überquert, war's vorbei mit dem orangensaft. von kenia bis bis malawi gab es keine orangen mehr. nur mango, ananas und passionsfrucht. nicht ganz unsere geschmacksrichtung. da ist man in den tropen, und es gibt keine orangen. wahrscheinlich nur unsere unwissenheit, überall orangen zu vermuten. aber sie waren einfach weg.

ebenso der kaffee. in kenia und tansania tauchen sie teebeutel in warme milch. das war's. kaffee? haben wir nicht. au backe. tee mit milch. dabei wird in kenia und tansania kaffee angebaut. aber, wie uns ein italiener in stone town sagte, dort verstehen sie nichts vom kaffee rösten. stattdessen nur instant-kaffee (marke "africafé"). fürchterliche plörre.

ja, aber nun doch zum wichtigsten: bier und zigaretten. da sieht alles gleich viel freundlicher aus. zigaretten - ein paradies für raucher: im sudan schlotet man "bringi" im 10er-päckchen fuer 200 dinar (60 cent), in äthiopien kostet die 20er-packung "nyala" 3 bis 4 birr (25 - 35 cent), in kenia gibt es 20 "superman" für 40 bis 60 shilling (40 - 60 cent), in tansania haben wir 800 bis 1000 shilling (55 - 70 cent) hingelegt, und in malawi waren es 40 bis 80 kwacha (35 - 70 cent) für eine packung "ascot" oder "embassy". und das bier: im sudan natuerlich fehlanzeige. in äthiopien gibt es leckeres "dashen", die flasche für 10 birr (knapp 1 euro), in kenia ist "tusker" für 80 bis 100 shilling (80 cent - 1 euro) nicht zu verachten, in tansania zischt "safari "fuer 1000 bis 1500 shilling (70 cent - 1 euro) am besten, in malawi gibt es "carlsberg green" für 50 bis 90 kwacha (40 - 75 cent).

wer in ostafrika in einem 40 grad heissen bus drei stunden mit der nase in der achselhöhle des nachbarn auf dem gang gestanden hat, hört das wort "sweatshop" mit anderen ohren. diese kapitalistische ausbeutung ist an sich schlimm genug, aber in afrika muss es unerträglich sein.

autofahren muss man nicht in der fahrschule lernen, macht in ostafrika auch bestimmt keiner. aber so fahren sie dann auch. wer zu früh schaltet, ist uncool. der berg wird im dritten gang genommen, bis der wagen fast steht. und wenn's bergab geht, schaltet man runter, damit man noch mal so richtig schoen den schwung für die nächste steigung abwuergt.

flüstern ist in ostafrika nicht nur unbekannt, sondern wohl auch unmöglich. die lokalen sprachen werden immer lautstark artikuliert, auch morgens um vier, wenn alle nachbarn noch schlafen. diskutieren heisst automatisch schreien. da ist an schlaf nicht zu denken.

müll wegbringen funktioniert nach dem prinzip "ich mach die augen zu, dann sieht mich keiner". in nkhata bay wurde er von den gärtnern direkt neben unsere hütte gekippt, weil da so schoene bullige felsen waren. die gärtner konnten ihn dann nicht mehr sehen, aber wir um so mehr, und noch viel mehr riechen. als wir uns beschwerten, schauten sie uns nur ratlos an. ach, diese mzungu.

die gummi-schlappen aus recycelten autoreifen, die wir zum ersten mal in addis auf dem mercato gesehen haben, werden bis unten in arusha und serengeti getragen. hemingway hat schon 1935 in "green hills of africa" diese schlaue schuhmode erwähnt. so alt ist diese idee schon. klasse.

die restliche mode in ostafrika ist weniger erbaulich. wer nicht traditionelle kleidung trägt (maenner fast nie mehr), rennt mit klamotten aus der altkleidersammlung des roten kreuzes herum. das trendpolentum in st. pauli, möglichst schlecht angezogen zu sein (blaue skijacke, graue anzughose und kackbraune turnschuhe zum beispiel), kann da nicht mithalten. wann sind die männer auf die idee gekommen, dass ihre traditionellen sachen schlecht aussehen? da lob ich mir die samburu oder massai mit ihren togen oder wickelröcken.

wer in malawi avocados gekauft hat, will nie wieder eine beim obstmann um die ecke erstehen. dort gibt es riesengeräte für umgerechnet 5 cent, waehrend bei uns winzige verschrumpelte grüne eier rumliegen, die 1 euro kosten, im ökosupermarkt sogar 1,60.

last but not least ein blick in den zeitungsstaender: im sudan gibt's unter anderem den duennen täglichen "sudan monitor", der die pfoten schwärzt; in äthiopien überrascht eine wochenzeitung namens "capital" mit kapitalismuskritischen analysen; in kenia können wir täglich "the standard" oder "the nation" lesen, beides ein mässiger genuss; schon etwas besser informiert ist man in tansania mit dem "guardian", der auch denselben schriftzug wie sein englischer namensvetter hat, es gibt eine eigene sektion "world & business news", in der einiges drin steht; die malawischen "mail" und "nation" sind hingegen wieder recht schmalbrüstige tageszeitungen. absolut lesenswert ist dagegen die wochenzeitung "the east african", die in kenia, tansania und uganda verkauft wird. da erfährt man mehr als nur crime-stories und politiker-skandale. lesen!



galao in tete
14.2.2005

ein heisses und trostloses nest sei tete, eine provinzhauptstadt in mosambik, steht im lonely planet, dem hitchhikers guide to planet earth. aber er irrt sich: der ort ist gar nicht trostlos. im gegenteil, ein hauch von schulterblatt weht durch die hauptgeschäftsstrasse: eine ähnlich verramschte auslage in den schaufenstern und im cafe gibt es galao, portugiesische törtchen und schinken-käse-toast (für die nichthamburger: das schulterblatt ist die hauptstrasse des schanzenviertels mit diversen portugiesen). hamburg kommt näher.

ja, und ostafrika liegt hinter uns, denn hier in dieser ersten mosambikanischen stadt hinter der malawischen grenze fühlt sich alles anders an. die frauen sind schicker, die autos dicker, die strassen breiter und gefegter, die männer gepflegter. das bier kommt in 550-ml-flaschen. in der mitte des ortes spannt sich eine riesenbrücke über den sambesi, die letzte brücke bis zur mündung am indischen ozean.

englisch ist ebenfalls passe, hier schnattern alle in portugiesisch und wir müssen erst mal im kopf kramen, was wir an spanischen wörtern und portugiesischen fetzen noch drauf haben. das einzige, was uns nicht ganz so begeistert, sind die busse: die fahren nämlich wie in äthiopien wieder "de noite", nachts zwischen 4 und 5 uhr ab. muito früh und ohne galao. morgen quälen wir uns dann also aus dem bett richtung küste. até mais tarde.


veilchen ohne schlägerei
vilanculo, 16.2.2005





als ich vor einigen tagen aufwache, habe ich diesen seltsamen schmerz unter dem linken auge. wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich glauben, mir hätte jemand am vorabend eins aufs jochbein gegeben. aber da ist nichts zu sehen - noch nicht.

als ich am nächsten morgen aufwache, hat sich mein linker tränensack mächtig aufgepumpt. eine rote schleifspur zieht sich darüber. kann das... diese blöde chilischote gewesen sein? klein, grün und so höllenscharf, dass ich schluckauf bekam, hatte ich sie mir über meinem reis zerkrümelt. den anschliessenden schwitzanfall im gesicht kurz mit der hand weggewischt. kann chili solche folgen haben?

als ich am folgenden morgen aufwache, ist die antwort: und wie! aus dem aufgepumpten tränensack ist eine einzige brandblase, ja ein stattliches veilchen geworden, und über das linke auge hat sich von nasenwurzel kommend eine hautfalte gelegt. im spiegel starrt mich ein "elefantenauge" (o-ton woldo) an, himmel, was geht hier vor? kleine eiterpusteln leuchten jetzt auf der tränensackblase. mein sichtfeld auf dem linken auge ist halbiert, und bei jeder grimasse spannt die haut.

als ich am nächsten morgen aufwache, kann woldo das elend nicht mehr mit ansehen und organisiert einen eisbeutel. den halte ich mir aufs auge, während wir zur grenze fahren, und woldo erklärt irritierten malawierinnen im bus, das sie mich nicht geschlagen habe. nach einer stunde ist zumindest das elefantenauge verschwunden. zurück bleibt ein riesiger roter schorfring, der mir prompt scherereien macht (s."planet mozambique").

heute, fünf tage später, ist mein auge das chiliveilchen endlich losgeworden, und woldo freut sich über die rosarote "kleine haut", mit der sich mein tränensack verjüngt hat. -nbo


planet mozambique
vilanculo, 16.2.2005





das meer, das meer, die weite des ozeans. da wollen wir hin, nach vilanculo, es soll grossartig dort sein, und dafür ertragen wir wieder einmal stundenlange busfahrten durch endlose savannen. schleichen morgens um vier durch die kühle der nacht, um einen sitzplatz in ausgebuchten bussen zu ergattern, die wie in äthiopien mitten in der nacht losfahren. schwitzen schon bald nach sonnenaufgang und schütteln uns beim nächsten schlagloch.

kilometer um kilometer durch grüne wände aus bäumen und sträuchern, keine orte weit und breit, davon gibt es in mosambik offenbar nicht viele. "wählt gegen die mörder von der renamo", schreit ein politgrafitti, als wir schliesslich doch eine stadt erreichen, chimoio. breite alleen, ein riesiger rechteckiger platz, ein kreisel mit einem betonmonument in form eines fünfzackigen sterns, es riecht förmlich nach sozialismus, ja nach kuba. so mediterran-romanisch nach tausenden kilometern durch ex-empire-kolonien.

auf den dächern prangen riesige alte neonreklamen für bier und batterien, wie man es aus lissabon oder madrid kennt. in den cafes gibt es delta-kaffee und gezapftes bier. die kellner tragen fliegen, die hotelmenschen sind wie aus dem ei gepellt.

in der pensao flor de vouga bekommen wir kein zimmer, weil ich mit chiliveilchen ums auge und dem schwarzen piratentuch zu wüst für diese romanische eleganz sein muss. in der residencial flor de vouga ein paar meter weiter mustert mich die alte portugiesin unbehaglich von oben bis unten und lässt mich erst nach kurzem zögern ein zimmer begutachten. dann treffen wir ein weiteres sozialismusrelikt am billardtisch einer kneipe.

pedro dove spricht mich auf deutsch an, weil keiner ein wort versteht, als ich auf portugiesisch zwei tosta mista zu bestellen versuche. 1988 war pedro für drei monate in dresden, im bruderstaat DDR. damals als frelimo und renamo noch jenen bürgerkrieg führten, der die stolpernden minenopfer in den strassen von heute hervorgebracht hat. drei monate hat er sich im wesentlichen von bier ernährt, und es sei sehr kalt gewesen. theatralisch beschreibt er, wie viel kleidungsstücke er sich damals anzog.
in drei jahren ist seine tochter volljährig. "dann kann ich mich entspannt zurücklehnen, dann muss sie sie selbst das leben meistern." jetzt muss er noch gute geschäfte mit billardtischen und queues machen. ein 24-jähriger barbesitzer in tete bezahle in jedes mal cash in dollar, der habe so viel geld, es sei unglaublich. das neue mosambik.

auch der fahrer unseres nächsten busses, zu dem pedro uns bringt, ist in der DDR gewesen. "leipzig" sagt er grinsend. da muss ihm preussische pünktlichkeit in die knochen gefahren sein. als morgens um vier noch nicht alle passagiere im bus sitzen, einige noch gemächlich ihre koffer über den bürgersteig ziehen, regt er sich höllisch auf. "bleibt zuhause", flucht er, "ich habe doch nicht umsonst ins fenster geschrieben, dass dieser bus um vier abfährt. um vier!" von wegen this is africa. here is planet mozambique.

hier ist alles anders als in ostafrika. zum ersten mal seit äthiopien werden wir auch wieder von einem einheimischen zu einem bier eingeladen, nach all den drinks, die wir unseren "schatten" in tansania spendiert haben. ricardo julio langa, geologe und bei der staatlichen wohnungsbaugesellschaft beschäftigt, kennt sich überraschend gut mit deutschem fussball aus. rummenigge, andi möller, littbarski, da kann beckham glatt einpacken. das liegt daran, dass er seine fussballleidenschaft bei der WM 82 in spanien entdeckte. im finale 2002 gegen brasilien sei er auch für die deutschen gewesen. dann wären beide länder mit je vier titeln gleichauf, sagt er. wow. dann kommt eine weitere runde, obwohl uns das bier schon zu den ohren rauskommt.

ricardo ist zufrieden mit dem fortschritt in mosambik. es herrsche frieden und es gehe langsam bergauf. obwohl europa natürlich noch viel, viel besser zum leben sei. na prost, dann fährt er mit seinem kumpel in einem pickup der wohnungsbaugesellschaft davon. uns schwirrt der kopf, in sechs stunden müssen wir schon wieder aufstehen, mit dem bus durch grüne wände rasen, denn wir wollen ja ans meer... -nbo


vaffanculo vilanculo
tofo, 17.2.2005

es ist brüllheiss, als wir nach drei tagen endlich das meer erreichen. vilanculo. das klang so verheissungsvoll. aber es ist nicht schön dort. der strand zu schmal, die wenigen backpacker absurd teuer, die ebbe zu heftig - man kann hunderte meter rauslaufen, fast bis zum riff, ausgerechnet nachmittags -, und die dörfler fangen schon wieder an zu bescheissen. sind wir nicht gestern abend in chimoio noch von ricardo zu einem bier eingeladen worden?

vilanculo ist bereits im tourismus angekommen, wenn auch noch nicht so heftig wie sansibar. aber es ist verloren. also weiter. und so sitzen wir heute morgen wieder im bus, halb fliehend, halb weiterziehend. in maxixe steigen wir auf eine fähre um, die uns über den meeresarm hinüber nach inhambane bringt. und als wir dort nach einer bank suchen, fragt uns plötzlich ein mosambikaner: "bamboozi?" klick.

"bist du von der bamboozi-lodge in tofo?" das ist der backpacker am tofo beach, 20 kilometer entfernt, zu dem wir wollen. dann taucht noch ein rothaariger, bärtiger südafrikaner auf, der gerade ein paar zutaten für die küche kauft. wir klettern auf den pickup, nicht ohne noch eine stange grande-turismo-zigaretten gekauft zu haben. als wir eine halbe stunde später auf der barterasse des bamboozi stehen, haut's uns lang hin.

this is The Beach - jedenfalls fürs östliche afrika. eine weite bucht mit breitem strand und mächtiger brandung, eingefasst von hohen dünen und palmenhainen. die bar ist knallvoll, es herrscht eine stimmung wie sonntags im sommer an der elbe, schnell ein bier, und mucki, der liebenswerte kölner hinter dem tresen, lacht uns an, als wären wir alte bekannte. nach ein paar stunden kennen wir die hälfte aller traveller, im hintergrund läuft bester hiphop, das essen, mosambikanisches krabencurry, ist phantastisch, ein paar leute tänzeln vor der bar auf und ab. redet da noch einer von sansibar? -nbo


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