von nairobi nach nungwi (sansibar)

a taste of nairobbery
nairobi, 8.1.2005
morgens in nairobi
9.1.2005
die rohe suche nach dem glück
nairobi, 10.1.2005
ab in die serengeti!
arusha, 13.1.2005
strassenstrich serengeti
13./14.1.2005
zwischen komödie und farce - ein geschäft mit wilden tieren
serengeti, 14./15.1.2005
darwin im krater
ngorongoro, 16.1.2005
clüdo in arusha
17.1.2005
die hure arusha
17.1.2005
afrikanische krankheit
arusha, 17.1.2005
im schwitzkasten
pangani, 18.1.2005
endlich am meer
pangani, 18./19.1.2005
mit der dhau nach sansibar
nungwi, 20.1.2005
bacardi-feeling, oder: urlaub vom reisen
nungwi, 22.1.2005



a taste of nairobbery
nairobi, 8.1.2005

man soll den tag nicht vor dem abend loben. es sind nur wenige hundert meter von der "trattoria" zu unserem hotel. die strassen sind hell erleuchtet, warum ein taxi nehmen? wir vier sind kurz vor unserer strasse, als wir eine meute herumlungernder typen an einer strassenecke sehen. sie sitzen da und machen nichts. wir beschliessen, die strassenseite zu wechseln.

woldo und ich sind schon fast drüben, als wir lautes geschrei hören. wir drehen uns um und sehen sieben, acht nichtsnutze wegrennen. leos geistesgegenwart, sie so laut wie möglich anzubrüllen, hat sie vertrieben, sie hatten ihre finger schon fast an seinen und an alans armen. geschockt erreichen wir die andere strassenseite.

geschockt, weil auch nachts noch genügend wachleute auf den bürgersteigen vor sich hin dösen. die polizei hat die innenstadt offenbar längst aufgegeben, wie uns die leute im hotel erzählen. "solchen halunken legt man am besten einen reifen um den hals", sagt einer und grinst noch dabei. -nbo


morgens in nairobi
9.1.2005

"3 gangster gelyncht", lautet eine der schlagzeilen des tages. auf dem lande in kenia wird nicht lange gefackelt. es geht auch ohne polizei und rechtsstaat. ein schauder überkommt mich, während ich an einem frischen fruchtsaft nippe. plötzlich geschrei auf dem bürgersteig vor dem cafe in downtown, ein mann rennt vorbei, drei, vier andere sind ihm auf den fersen. "der hat was gestohlen", sagt der kenianer am nebentisch trocken und liest weiter in seiner zeitung.

die strasse vor dem cafe gerät in bewegung, ich stehe auf, schaue der meute nach, die jetzt mit jedem meter anschwillt. wachleute kommen aus den eingängen von banken und läden und schliessen sich der verfolgungsjagd an. schon haben sich an die hundert passanten in der strassenflucht versammelt, hinter einem querstehenden müllabfuhrlaster ertönen wütende rufe und beschimpfungen.

vorsichtig bahne ich mir den weg durch die menge, da vorne in ihrer mitte klafft ein loch, umgeben von hasserfüllten gesichtern, die auf den bürgersteig starren. ich erhasche einen blick durch die körper und beine, ein mann liegt am boden, fusstritte prasseln auf ihn ein. einige ältere männer und wachleute, versuchen ihn abzuschirmen, aber die menge scheint ausser rand und band. dann schaffen sie es, den verdächtigen auf die beine zu stellen.

er blutet an der stirn. rotz und wasser laufen ihm übers gesicht. er zittert am ganzen leib, während ihm verwünschungen entgegenschlagen. dann wird er in einen hauseingang gebracht, und die menge beruhigt sich langsam. nach drei minuten ist der spuk vorbei, und alle gehen wieder ihren geschäften nach. der vulkan nairobi hat kurz sein wahres gesicht gezeigt. -nbo


die rohe suche nach dem glück
nairobi, 10.1.2005

ist nairobi die zukunft? ist das die richtung, die der globalisierte kapitalismus nimmt? je weiter wir nach süden kommen, desto roher erscheint der alltag, desto weiter klafft die lücke zwischen dem blossen überleben der vielen und dem teilweise obszönen reichtum der wenigen.

nairobi ist eine kapitalistische metropole im permanenten belagerungszustand. die reichen und die weissen verschanzen sich hinter meterhohen mauern, auf denen unter strom stehender natodraht thront. die gesichter der grossstädter verraten anspannung, nur selten huscht ein lächeln darüber. jeder versucht hier im zentrum von nairobi, die bitter nötigen shilling zu ergattern.

wovon träumen all die kellner, angestellten, verkäufer, wenn sie abends in ihren vorstädten angekommen sind? sehnen sie sich nach den dörfern in samburuland oder kikuyuland zurück, oder wollen sie weiterkommen auf dem weg zum wohlstandsleben der moderne?

als wir abends aus dem kinosaal kommen ("oceans 12" gesehen, sehr gut), haben wir für kurze zeit vergessen, wo wir eigentlich sind. wir trinken ein bier an der bar des kenya cinema plaza und reden über den film. durch die fenster scheinen die lichter der grossstadt. wie zuhause. dort würden wir jetzt aus dem kino gehen, nach hause laufen und unterwegs noch irgendwo für einen absacker eintrudeln.

aber draussen ist nairobi, nicht hamburg oder amsterdam. der öffentliche, städtische raum, jene grosse errungenschaft der europäischen kultur, existiert hier nicht. wer zeit hat, flaniert nicht, sondern lauert. denn wer zeit hat in einer stadt wie nairobi, ist ganz unten. auf der strasse. im cafe sitzen, sich geschichten erzählen oder über gott und die welt diskutieren, ist ein luxus, den sich hier niemand leisten kann.

nairobi ist business: geld scheffeln, in einem servicejob malochen oder stehlen, es sind nur varianten des rohen rat race, das keinen platz für andere lebensentwürfe lässt. -nbo


ab in die serengeti!
arusha, 13.1.2005

kaum sind wir in tansania angekommen, da melden wir uns schon wieder ab. wir gehen tiere gucken, die big 5, im ngorongo-krater und in der serengeti. das ist ein absolutes muss, wenn man hier unten ist. wir werden euch berichten, ob die safariromantik noch existiert oder alles ein gut organisiertes business ist.


Strassenstrich Serengeti
13./14.1.2005





Die Kindheit des Masaijungen endet mit der Initiation. Er wird beschnitten und dieser schmerzhafte Eingriff mit weisser Gesichtsbemalung und schwarzer Kleidung dokumentiert. Dann darf er sich drei Monate nicht waschen, bevor er, wie seine männlichen Stammeskollegen, seinen Körper mit rotem Schurz und Schultertuch bedeckt. Die Frauen tragen blau.

Der Dorfälteste weist dem dekorierten Masaijungen einen Platz an der Strasse zu, wo er sich von nun an für vorbeifahrende Touristen in Pose zu werfen hat. Ein Stückchen weiter hat ein älterer Kollege Sitzdienst, er hat es besser getroffen als der neben ihm Stehende, der heute Speerschicht schieben muss. In unbequemer Haltung verrengt er seine Arme, um damit auf den Schultern seinen Speer zu balancieren.

Der Gartenmasai verharrt dagegen in der Hocke und streichelt den Boden. Und wenn ein Tourist auf die Idee kommen sollte, von diesem zugegebenermassen sehr hübschen Motiv etwa ein Foto schiessen zu wollen, wird er mit fünf Dollar zu Kasse gebeten.

Mich beschleicht das Gefühl, in ein riesiges Kostümspektakel geraten zu sein. Ausverkauf der Traditionen, Hauptsache die Knete stimmt. Der Westen hat mit seinen Touristenströmen bereits Einzug gehalten in diesen so ursprünglich scheinenden Winkel der Welt. Warum sonst stehen die Dörfer der Masai, ein Nomadenvolk, seit Jahren an den selben Stellen neben der Hauptroute vom Ngorongoro Krater in die Serengeti? Vor neurigen Blicken abgeschottet durch einen Bretterzaun. Zahlt man hingegen dreissig Dollar Eintritt, wird einem Einlass gewährt. Ein teures Open-air Museum, dem ich mich verweigere.

Kommt der Deko-Masai dann von seiner Strassenschicht nach Hause, wirft er wahrscheinlich erstmal seine lästige Arbeitsklamotte ab, schmeisst sich in T-Shirt und Boxershorts und holt sich ein eisgekühltes Bier aus dem Keller seiner Hightech-Hütte. Dann setzt er sich vor seinen Rechner um per email mit seinem Kollegen im Kaokoveld in Namibia zu kommunizieren, wo er seine nächste Saison zu absolvieren hat.

Einzig die Tiere in der Serengeti scheinen kein Interesse daran zu haben, mit einem Ticket per Flieger nach Übersee verfrachtet zu werden. Sie sind nicht kaueflich, entweder stehen sie im richtigen Moment oder eben nicht. Ob Dollar oder Euro, sie machen keinen Unterschied, Touristen schmecken alle gleich. nach Diktat verreist -dwo


zwischen komödie und farce - ein geschäft mit wilden tieren
serengeti, 14./15.1.2005





wer in arusha ankommt, will wilde tiere sehen. alle dort wissen das. serengeti und ngorongoro-krater sind das kapital der zweitgrössten stadt in tansania. nirgendwo auf der welt muss man so wenig tun, um die wahrzeichen afrikas zu präsentieren. das einzige problem ist: wie bekommt man die touristen in seinen wagen, wenn sich 200 safari-agenturen um sie balgen?

erste möglichkeit: versprich ihnen alles. zweite möglichkeit: verpack die tour in eine tolle hülle. die zweite klasse der safaris schläft in einem campingzelt, die erste in einem luxuszelt mit bettgestell oder gar in einer klimatisierten lodge. das ist aber auch der einzige nennenswerte unterschied, obwohl die erste klasse das zwei- bis vierfache bezahlt..

als wir an der olduvai-schlucht (wo die leakeys in den 30ern einige urmenschenschädel entdeckten) mittagspause machen, tummeln sich gut und gerne 15 safarigruppen an derselben picknickhütte. masauda, unser koch, gibt uns unsere lunchpakete. hühnchen, obst, einen muffin, ein saftpäckchen, brot, all das ist in einer tupperbox eingepackt. dabei macht er ein gesicht wie ein geprügelter hund. seit wir losgefahren sind, fragen wir uns, ob er eine lachmuskellähmung a la silvester stallone oder einen todesfall in der familie hat. aber sein handwerk versteht er, das essen ist gut.

eine safarigruppe der ersten klasse gesellt sich zu uns. jeder hat eine schicke pappbox mit dem logo der safari-agentur in der hand. das macht mich neugierig. vorsichtig lunze ich den khakigekleideten über die schulter. überraschung! in der pappbox ist exakt dasselbe drin wie in unserer tupperbox. immerhin wird dazu eine flasche rotwein rumgereicht.

dann schau ich mir all die wagen auf dem parkplatz an. fast alle sind toyota landcruiser. einige ganz teure agenturen wie abercrombie & kent packen ihre kunden in schlichte minibusse. als wir später am parkeingang der serengeti ankommen, türmen sich bereits die markenlunchboxen der ersten klasse zu müllhaufen. da lob ich mir die budget-tupperbox. dann brausen wir alle in unseren wagen durch die weite grasebene richtung camp oder lodge.

am nächsten morgen treffen wir uns alle wieder, denn es gibt in der serengeti keine wege erster oder zweite klasse. irgendjemand hat leoparden in einem baum gesichtet, und in windeseile spricht sich die neuigkeit zwischen den fahrern herum (unser entpuppt sich als besonders blind, er muss immer anderswo nachfragen). als wir am leopardenbaum ankommen, sind wir der fünfte jeep, zehn minuten später drängeln sich dort 23 wagen, um die meisterjäger der nacht zu sehen.

artikel 1 der serengeti: vor dem leoparden sind alle touristen gleich. es gibt keine erste reihe. so wiederholt sich das spiel tag für tag. wo löwen und andere raubtiere sind, bildet sich im nu ein jeepauflauf, den man kilometerweit sehen kann. nach einiger zeit erkennt man die gesichert wieder, die aus den dachluken der wagen herausschauen.

ein abenteuer entgeht der ersten klasse allerdings: die nächtliche geräuschkulisse rund ums zelt. mitten in der nacht weckt dich ein grunzen, ein grasrupfen, ein schnaufen, so klar, dass es nur wenige meter neben deinem kopfkissen sein kann. dann sind die büffel, elefanten und nilpferde ins camp gekommen und grasen zwischen den zelten.

zartbesaitete machen den rest der nacht kein auge mehr zu. andere drehen sich zufrieden im schlafsack um, weil sie für augenblicke teil der wildnis geworden sind, fernab der behüteten westlichen zivilisation. kein grund zur panik, denn wenn es etwas gibt, worum sich die tiere der serengeti einen dreck scheren, dann sind es diese seltsam riechenden touristen. -nbo


darwin im krater
ngorongoro, 16.1.2005





das "survival of the fittest" ist die wohl wichtigste wissenschaftliche entdeckung des 19. jahrhunderts und wird uns schon in der schule als das grundprinzip allen lebens eingetrichtert. fressen und gefressen werden. so richtig vorstellen kann man sich das als europäer aber nicht, der raubtiere nur aus dem zoo kennt. und so abstrakt macht es sich dann gut in all dem wirtschaftspolitischen gequatsche der gegenwart.

wenn es einen ort auf der welt gibt, wo einem die trostlosigkeit und brutalität dieses prinzips klar wird, ist es der ngorongoro-krater in nordwesttansania. tausende von tieren leben auf dem fast baumlosen boden dieser riesigen, millionen jahre alten caldera, die einen durchmesser von bestimmt zehn kilometern hat. pflanzenfresser, fleischfresser, ob mit hörnern oder ohne hörner, mit reisszähnen oder nur mit kauleisten - für kein tier gibt es hier eine möglichkeit, dem tod ein schnippchen zu schlagen. zebras stehen seite an seite, mit den köpfen in entgegengesetzte richtungen, um die kraterebene ganz im blick zu haben. gazellen stapfen hypernervös durchs gras, durch das der tod schleichen kann. die ganze existenz besteht nur aus fressen und auf der hut sein.

kein blick in die phantastischen wolkenformation über dem kraterrand, kein innehalten über die schönheit dieser landschaft, nur ein stumpfes sein bis zum exitus, der schon heute nacht, vielleicht auch erst morgen mittag in der prallen sonne kommen kann. der kraterrand pfercht alle zusammen zu einer gemeinschaft, aus der es kein entkommen gibt. in der es keinen fortschritt gibt, weil alle energie ins fressen und nicht-gefressen-werden fliesst. ich hatte zwar noch nie etwas für sozialdarwinistische argumente übrig. aber erst hier im krater wird mir klar, wie primitiv die zeitgenossen sind, die im "survival of the fittest" irgendeine inspiration für die probleme des menschlichen zusammenlebens sehen. soll darwin im krater bleiben, in der zivilisation hat er nichts zu suchen. -nbo


clüdo in arusha
17.1.2005

shit happens, und heute hat es uns erwischt. 200 dollar bargeld, die restlichen reiseschecks und mein handy sind perdu. gestohlen aus dem zimmer unseres ach so ehrenwerten hotels "spices & herbs" in arusha. kein aufgebrochenes türschloss, keine eingeschlagene fensterscheibe. der dieb kam mit dem schlüssel, während wir im ort unseren rückflug von kapstadt nach hamburg organisierten.

wir liegen im bett und können doch nicht einschlafen. wer könnte es gewesen sein? alle sind verdächtig. war es die frau an der rezeption, die schwört, den ganzen nachmittag bei den schlüsseln gewesen zu sein, die in einem körbchen an der bar liegen? ihre nonchalance, mit der sie unsere entdeckung aufnimmt, macht sie verdächtig.

war es die schüchterne putzfrau, der wir idiotischerweise gesagt hatten, sie möge heute bitte nicht putzen, weil wir nach der safari unseren kram im zimmer verstreut hätten? ihre schüchternheit macht sie verdächtig. könnte ja gespielt sein.

war es der hotelmanager, der uns allen ernstes erzählt, er habe den gast aus zimmer 2 verdächtigt und vorsorglich schon mal dessen gepäck durchsucht, aber da seien unsere sachen nicht drin gewesen? wenn das nicht verdächtig ist.

oder war es die hotelbesitzerin selbst, die unsere geschichte am abend mit augen, kalt wie stein, anhört? sie gehört zur upper class von arusha, spätestens seit sie das essen für das grosse bill-clinton-dinner vor einigen jahren hier in der stadt organisiert hat. auch sie ist verdächtig: kurz bevor nachmittags die polizei kommt, rauscht sie im jeep heran, eilt an die rezeption, um eine grosse tasche zu holen, und braust wieder davon, ohne uns, die opfer und ihre gäste, eines blickes zu würdigen. erst letzte woche ist ein angesehener geschäftsmann aus arusha als kopf einer grossen, hier ansässigen gang verhaftet worden.

vielleicht war es aber auch der ewig lächelnde und leicht unterbelichtete kellner, in dessen zimmer unser gepäck während der safari "in sicherheit" gewesen sein soll. zeit genug hatte er ja, um sich an den vorhängeschlössern unserer rucksäcke zu üben. verdächtig, einfach verdächtig. aber es ist wie früher, als wir als kinder "clüdo" gespielt haben. ich hab's nie geschafft, den täter zu überführen. gewonnen haben hier immer die anderen. -nbo


Die Hure Arusha
17.1.2005

Stolz hält sie ihre Nase in den Wind vom benachbarten Mount Meru. Arusha ist sich ihrer Wichtigkeit für Tansania allzu deutlich bewusst, hier starten alle Safaris in die Serengeti und Touren zum Kilimanjaro. Geradezu hochmütig kommt sie daherstolziert und gibt sich selbstsicher auf dem grossen Tourismusparkett.

Doch schaut man ihr unter den Rock, wird einem schlecht. Marodes Gekröse, zerfressene Innereien, es stinkt erbärmlich. In ihrem offenen Unterleib haben sie sich eingenistet, die Kanalratten und Scheisshausfliegen. Auf den Strassen ist man nach Einbruch der Dunkelheit ihr gefundenes Fressen, sogar Einheimische bevorzugen selbst für die kürzesten Strecken ein Taxi. Keiner vertraut keinem, jeder bezichtigt den Nächsten der eigenen Hinterhältigkeit.

Der Charme dieser Stadt ist längst auf der Strecke geblieben, Korruption und Kriminalität regieren den Alltag. Eines sollte die rotznasige kleine Cousine Nairobis allerdings noch lernen: wenn man bei den Grossen mitspielen will, muss man ihre Regeln beherrschen. Und wenn man mogelt, dann bitte so, dass es keiner merkt. Verwundert denke ich an Belinda und Jens, die hier demnächst ein halbes Jahr verbringen wollen. Sie sollten gezinkte Karten und mindestens ein Pokerface im Gepäck haben, toitoitoi. nach Diktat verreist -dwo


afrikanische krankheit
arusha, 17.1.2005

viele löwen, elefanten, gnus, zebras und sogar zwei nashörner liegen hinter uns. ja, serengeti und der ngorongoro-krater waren grandios. aber nur die natur. was wir in den letzten paar tagen an trostlosem miterlebt haben, reicht. das  afrikanische fieber wächst sich im moment zu einer ernst zu nehmenden krankheit aus. morgen brechen wir auf in richtung sansibar, von dort dann mehr. wir fühlen uns im moment echt ruhebedürftig.


Im Schwitzkasten
Pangani, 18.1.2005





Der überschwenglich angepriesene Full Luxury Bus inklusive Videomonitor entpuppt sich mal wieder als das übliche afrikanische Klappergestell: ein ausrangierter Volvo oder Isuzu, der irgendwo ausserhalb Afrikas gerade noch vor der Schrottpresse geretten werden konnte. Die Sitze sind mit Plastikfolie überzogen, so dass man während der sechs Stunden dauernden Fahrt durch klammes subtropisches Klima auch ordendlich ins Schwitzen kommt.

Kurz vor der Abfahrt kriegt Niels ein Kind. Der Busfahrer drückt ihm ein anderthalbjähriges Mädchen auf den Schoss, dass bei seiner Mutter keinen Platz mehr gefunden hat, weil da schon seine dreijährige Schwester sitzt. Mit diesem zusätzlichen Schwitzkissen im Arm heizen wir mit halsbrecherischen 120 Sachen über die Landstrasse von Arusha nach Tanga an die Küste.

Während der gesamten Fahrt geben die beiden Krollenlöckchen auf den Schössen keinen einzigen Mucks von sich, kein Weinen, kein Gequengel, nichts. Wie kann das sein, frage ich mich. Sind sie wirklich so grundzufrieden? Oder sind sie vielleicht bereits von kleinauf durch das Getragenwerden im Hängetuch auf dem Rücken der Mutter, zur Bewegungslosigkeit verdammt, auf Ausharren konditioniert?

Wenn ich mich in den Reihen der Erwachsenen umschaue, scheint mir Letzteres gar nicht so unwahrscheinlich. Was werden diese beiden Mädchen in zwanzig Jahren wohl machen? Haben sie überhaupt überlebt, haben sie Aids, wie so viele Afrikanerinnen? Wo werden sie leben, in welchem Land? Was ist die afrikanische Zukunft?

In Tanga angekommen wartet dann bereits der Bus nach Pangani. Gleiches Modell, nur dreimal so voll. Es wird gestanden, voll bis zum letzten Quadratzentimeter. Wir werden reingeschoben und aufgefordert, weiter nach hinten durchzugehen. Aber wohin denn, es ist doch alles schon brechend voll? Das hält den Busfahrer allerdings nicht davon ab, noch zusätzlich jeden Wartenden am Strassenrand mitzunehmen, der Bus platzt aus allen Nähten.

Dann und wann huscht mal etwas warmer Fahrtwind durch die geöffneten Fenster, es ist brüllend heiss. Jeder schwitzt aus allen, ihm zur Verfügung stehenden Poren. Meine Nase zu tief in der strengen Achselhöhle des Haltsuchenden neben mir, hoffe ich inständig bei jedem Halten, dass diesmal doch bitte jemand aus- anstatt einsteigen möge.

Auf den klitschnassen Gesichtern neben, um und an mir sehe ich wachsende Ratlosigkeit. Auf den Platz- und Frischluftmangel hingewiesen, antwortet der Busfahrer bloss: " I know, but what can we do about it?" Ja, das ist eine gute Frage! Afrika, was meinst Du dazu? nach Diktat verreist -dwo


endlich am meer
pangani, 18./19.1.2005

als wir schwitzend wie die berserker aus dem rumpelbus von tanga nach pangani aussteigen, ist es schwülheiss. vorbei das angenehme sommerwetter des hochlands. aber da hinter den palmen, da ist das meer. der indische ozean, von dessen wüten wir erst tage später erfuhren, weil wir in nordkenia aus der welt waren. stürzen ein kühles bier hinunter, die friedliche bucht im blick.

nicht mehr viel los in der einst geschäftigen hafenstadt an der swahiliküste. heute ist die flussmündung des pangani river teilweise verlandet, und die schiffe fahren nach tanga, 50 kilometer weiter nördlich. der ort ist eines dieser heissen, verschlafenen nester, auf die levi-strauss' ausdruck "traurige tropen" perfekt passt.

ja, die flussmündung hat etwas von dieser beklommenheit aus joseph conrads "heart of darkness". hier ereignet sich nichts. alle, auch die einheimischen, schwitzen dumpf vor sich hin. dann und wann legt eine dhau nach sansibar ab. schlanke boote mit dreieckigen segeln, die schon seit jahrhunderten diesen teil des indischen ozeans befahren.

aber gerade dieses aus-der-welt-sein ist nach nairobi und arusha eine wohltat. die leute lächeln verhalten, und wenn wir ein paar wort kiswahili stammeln, strahlen sie sogar. niemand will einem etwas verkaufen. in der ortsdisco, der "pangadeco bar" hinter dem strand, dröhnt abends der reggä. so laut, dass wir uns mit mr. iddi und mr. sekibaha anschreien müssen.

iddi hat uns eine dhau-überfahrt nach sansibar vermittelt. draussen auf der strasse tänzeln ein paar panganier, die sich keinen drink leisten können. mr. sekibaha hat plötzlich eine philosophische anwandlung und erzählt von der notwendigkeit eines neuen weltbildes für das 21. jahrhundert, von einem schriftsteller namens bruno vogelmann, streift die deutsche kolonialgeschichte ("when they built the railway to the hinterland", ja er sagt wirklich hinterland), regt sich über die atombombe als fehlgriff der westlichen wissenschaft auf. der rest seiner gedanken geht in den reggäbeats verloren.

ich habe das gefühl, das gerade wieder eine etappe zünde geht. rift valley, wüsten, savannen liegen hinter uns. jetzt kommt die küste. -nbo


mit der dhau nach sansibar
nungwi, 20.1.2005









nachts um kurz vor drei klopft iddi, der "schiffsmakler" von pangani, an unsere zimmertür. wir schnappen unser gepäck und gehen runter zum fluss, durch halden von kokosnussschalen. in der dunkelheit wartet die dhau, die schon am abend vorher prallvoll mit früchten beladen worden ist. unsere passage nach sansibar.

wir klettern an bord, die hosenbeine werden nass, als wir durchs wasser waten. die milchstrasse leuchtet und eine einsame neonröhre hinter uns im ort. die crew schiebt das boot in den fluss und setzt das segel. kein lufthauch bläht den stoff.

langsam, ganz langsam treiben wir mit der ebbe aus der flussmündung in die bucht. keiner redet. es gibt nichts zu sagen. nur das rauschen von wellen, die in der ferne auf eine sandbank schlagen, ist zu hören. rechts über dem segel steht das kreuz des südens, hinter uns der grosse wagen. einer aus der crew schöpft wasser aus dem bootsrumpf.

zusammengekauert hocken wir mit leo achtern am ruder, auf dem letzten flecken, der nicht mit mangos, bananen und holzkohle beladen ist. vor fünfhundert jahren kann es nicht anders gewesen sein. irgendwann, später, beginnt sich der himmel vor uns aufzuhellen. wir sind höchstens fünf kilometer vorwärts gekommen. noch immer kein wind. woldo zeigt hinter sich ins meer, ja, ein delphin begleitet uns gemächlich. grauschwarz taucht sein körper aus den glatten fluten auf.

der anbrechende tag zaubert die wildesten wolkengebilde an den himmel, wie in alten gemälden von seeschlachten. ich sehe hasen, elefanten und riesen, die vorbeieilen. sansibar ist noch nicht in sicht. die seeleute wechseln sich mit dem wasserschöpfen ab.

eine erste leichte brise, wir nehmen fahrt auf. wechseln ein paar worte mit der crew, die kein englisch spricht, auf kiswahili. "kuna upepo kidogo", es gibt nicht viel wind. zustimmendes lachen. im morgenlicht tauchen weitere segel am horizont auf. eine grosse dhau auf dem weg von tanga nach stone town kreuzt dicht hinter uns. das meer ist tiefblau, alles ist perfekt, nur der kaffee fehlt.

einer aus der crew summt leise ein lied, die anderen dösen. die sonne steigt höher, erscheint über den wolken, der wind kommt und vergeht doch wieder. in der crew entspinnt sich plötzlich eine diskussion, lauter und immer lauter, unterbrochen von kurzen lachern. wer schreit, hat recht, auch hier. ich lausche dem angenehmen klang des kiswahili, schnappe ein paar zahlen auf, die ich wiedererkennen kann. dann verfallen alle wieder in schweigen und ergeben sich in die heraufziehende hitze.

ein schluck mineralwasser, eine mango, ein zigarette, das ist unser frühstück. doch dann, endlich, tauchen am horizont die ersten palmen von sansibar auf, und wind dazu, jetzt geht es voran, ein wenig gischt spritzt, die dhau schaukelt durch die langen, flachen wellentäler des indischen ozeans. der strand von nungwi kommt immer näher.

wir zahlen den rest unserer passage und nach neun stunden landet die dhau am korallenstrand. einigen touristen fallen in ihren beach-ressort-liegen die augen aus, kameras klicken, als wir da wie aus einem anderen zeitalter von bord ins türkise wasser springen. wir setzen uns in den sand und können es kaum glauben - wir sind in sansibar. währenddessen hat die crew das boot schon wieder zurück ins meer geschoben und nimmt kurs auf die kleine nachbarinsel tumbatu. wir hingegn sind mit in der bacardiwerbung angekommen. -nbo


bacardi-feeling, oder: urlaub vom reisen
nungwi, 22.1.2005





nach wochen im innern ostafrikas ist es jetzt erst mal genug mit all den reise-erfahrungen. am strand von nungwi auf unguja (in europa bekannt als sansibar, das in wirklichkeit der name einer ganzen inselgruppe ist) ist für die nächsten tage schwerstes abhängen angesagt, lesen, durchatmen, ein wenig nachdenken, kraft für die vierte etappe sammeln. ja, und wir müssen euch leider sagen, dass das wetter hier phantastisch, das wasser türkis ist, die fischgerichte grandios sind.


nächste etappe:von nungwi nach kyela (kurz vor malawi)
chronik

etappen
hamburg – istanbul
istanbul – dahab
dahab – wadi halfa
wadi halfa – addis
addis – nairobi
nairobi – nungwi
nungwi – kyela
kyela – tofo
tofo – kapstadt

gedanken
was ist reisen?
verschiedenes

länder
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schnipsel

gesamte chronik