von wadi halfa (sudan) nach addis abeba

endlich in afrikawadi halfa, 7.12.2004
ein ägyptischer business-fuchs
wadi halfa, 7.12.2004
morgens in wadi halfa
8.12.2004
zen oder die kunst im bus zu sitzen
zwischen wadi halfa und khartoum, 8.12.2004
sitzen lernen
zwischen wadi halfa und khartoum, 8./9.12.2004
ein afrikanischer moloch
khartoum, 10.12.2004
und wieder raus aus dem sudan
khartoum, 10.12.2004
sudan-transport mal anders
zwischen khartoum und gedaref, 11.12.2004
tausche abitur gegen sport-BH
zwischen gedaref und gallabat, 11.12.2004
paradies im grenzmüll
metema, 11.12.2004
jenseits von entenhausen
gondar, 13.12.2004
halbe strecke
gondar, 14.12.2004
abgestempelt
bahar dar, 15.12.2004
frühstück in fünf akten und andere merkwürdigkeiten
bahar dar, 15./16.12.2004
macchiato an der piazza
addis abeba, 18.12.2004
what time is it?
addis, 18.12.2004
die welt des schönen scheins
addis, 18.12.2004
tor für äthiopien
addis, 19.12.2004



Endlich in Afrika
Wadi Halfa, 7.12.2004






Die 28 Stunden auf der Fähre sind überstanden und noch immer hängt der beissende Käsemaukengeruch in der Luft, den wir während der gesamten Überfahrt in der Nase hatten. Wen wunderts, bei diesen Füssen. Aufgesprungene Hacken, in denen bestimmt so einiges nistet. Wahrscheinlich wurden die Nylon-Strumpfhosen ohne Füssling für den arabischen Markt erfunden, denn jede andere mit Fuss wäre schon nach dem ersten Tragen hinüber. Neben diesen Füssen zu schlafen macht nicht allzu grosse Freude. Ihr Geruch treibt einem die Tränen in die Augen, vor allem, wenn man sie als Betthupferl neben den Kopf gelegt bekommt.

Dann, im Hafen von Wadi Halfa ist es plötzlich da, Afrika! Wir haben Glück und bekommen zwei Betten in dem überfüllten Hotel Nil, einem ummauerten Hof mit Lehmhütten. Dienstags, wenn die Fähre aus Aswan ankommt, ist hier, in der einzigen Übernachtungsmöglichkeit im Ort, die Hölle los. Sogar draussen im Hof werden Betten aufgestellt. Die Klos sind Betonverschläge mit Pinkelrinne im Boden, alles sehr spartanisch. Aber diese Einfachheit stört nicht weiter, im Gegenteil, jetzt hats mich gepackt, das afrikanische Fieber.

Geschrumpft auf die absolute Bedürfnislosigkeit fallen die Ansprüche der Zivilisation von mir ab und machen einer heiteren Gelassenheit platz. Auf der anderen Seite der Sandpiste, der Hauptstrasse des Ortes stehen einige bunte Plastikstühlchen neben einem Bretterverschlag, ein fülliger Kaftanträger wedelt über der heissen Glut der Steine das Fleisch gar. Und richtig, dies ist das "Restaurant", in dem sich alle Hungrigen und Durstigen von der Fähre nach und nach einfinden. Alles bekannte Gesichter und auf nahezu jedem europäischen dieses heimliche Strahlen. Alle sind gerädert, aber glücklich. Der afrikanische Kontinent hat söben begonnen.
Zwar sind die Frauen hier auch verhüllt, aber ihre Tücher sind farbenfroh und elegant. Im Vergleich zu ihren tristen, oft plumpen arabischen Schwestern wirken sie wie buntgewandete nubische Göttinnen. Grazil und anmutig jede ihrer Bewegungen, schüchtern ihr strahlendweisses Lächeln dem Fremden gegenüber. Ihre Hände und Füsse weich und zart, keine verhornten Hacken und Gesichter mehr. Und selbst wenn ein solcher Fuss mal riechen würde, nähme ich es ihm nicht übel. So gut und fest wie hier, auf einer Stahlpritsche im kargen Lehmhüttchen mit Sandboden, habe ich während der ganzen Reise noch nicht geschlafen. Etre simple. nach Diktat verreist -dwo


ein ägyptischer business-fuchs
wadi halfa, 7.12.2004

spät am abend setzt sich plötzlich ein alter, stämmiger ägypter in einem schwarze kaftan zu uns, kramt sein englisch hervor und erklärt uns seine geschäftsidee. seit 20 jahren träumt er davon, autörsatzteile wie zylinderköpfe aus deutschland nach ägypten zu importieren, um sie dort für das vierfache zu verkaufen. kann man leicht ein visum für deutschland bekommen? wieviel kostet ein alter LKW auf einem deutschen autofriedhof? fragen, auf die wir keine antwort wissen.

aus drei alten lastern könne man in ägypten einen neuen machen, erklärt er mit siegerlächeln. in deutschland seien maschinenteile ja nach einem jahr veraltet, in ägypten dagegen könne er auch mit vier jahre alten teilen noch ein bombengeschäft machen. er sei händler, die araber seien alle gute händler, fügt er hinzu. zumindest hat er es in kairo zu einem mercedes und zwei häusern gebracht. obwohl er gut und gerne 60 ist, treibt ihn immer noch der ehrgeiz, "business" zu machen.

aber business allein ist heute nicht alles, ja vielleicht sogar das problem der arabischen länder, denke ich. in zeiten der globalisierung kann technik nicht mehr nur ein importgeschäft sein. man muss selber entwickeln und weiterentwickeln. daran hapert es offenbar in ägypten, wie ich in der al ahram weekly gelesen habe. der ägyptische maschinenpark ist offensichtlich unglaublich veraltet, ein guter teil dürfte nach westlichen massstäben als schrottreif gelten. aber solange staaten wie ägypten nur alte technik importieren, weil neue zu teuer ist, werden ihre wirtschaften den technischen rückstand nicht aufholen können. dann fehlen wieder umsätze für investitionen, ein ewiger teufelskreis, aus dem auch männer vom schlage des sympathischen alten business-fuchs ägypten herausreissen können.

zum schluss tischt er uns noch eine echte räuberpistole auf. ja, hitler sei der grösste staatsmann gewesen (das ist an sich noch nicht so überraschend, hört man in dieser weltgegend immer mal). dass die deutschen die atombombe nicht gebaut hätten, habe daran gelegen, dass die USA die deutschen atomwissenschaftler entführt und gezwungen hätten, die hiroshima-bombe zu bauen. "das haben sie noch nicht gewusst, oder?" fragt er uns und freut sich. "da können sie von mir noch etwas über ihre eigene geschichte lernen." dann verabschiedet er sich und küsst woldo und mich auf die wangen. wir sind baff. -nbo


morgens in wadi halfa
8.12.2004

um sieben uhr bin ich an der haltestelle, an der die busse abfahren sollen. so früh müsse ich kommen, um eine fahrkarte zu sichern, hiess es gestern am schalter. von wegen. eine handvoll menschen verliert sich hier, die sonne ist noch nicht aufgegangen, sand und plastikmüll treiben im kühlen wind. eine frau hat ihren kleinen teestand aufgebaut, fächelt dem holzkohlenfeuer luft zu. weihrauch steigt aus der glut auf. ihre konkurrentinnen kommen gerade erst an, und so versammeln sich die ersten versprengten am stand dieser gut aussehenden nubierin. kaffee, tee, kakao, ingwer, hibiskusblüten, milchpulver, weihrauchkügelchen, sie hat alles. wohin ich wolle, fragt mich einer. nach khartoum. der ticketschalter ist noch zu, sagt er. wir trinken den ersten kaffee, den ersten tee, reden wenig, die sonne geht auf, die anderen nubierinnen beobachten argwöhnisch unsere ausgeschlafene teefrau, um die sich immer mehr wartende scharen. ein älterer araber gibt mir einen tee aus. die holzkohlen der anderen frauen glühen noch immer ungenutzt. ein mann aus khartoum beruhigt mich, alles sei hier in "sudan time", sieben uhr kann auch acht uhr sein.

wir trinken noch einen kaffee. und was ist mit dem krieg in darfur? der ist weit weg, sagt der khartoumer und lächelt. der platz wird voller und voller, wann öffnet der ticketschalter, frage ich erneut, nervös? ach, der ist schon auf, sagt der khartoumer jetzt. mich trifft der schlag, ich renne zu den holztüren auf der rückseite der baracken, ich habe die falsche im auge behalten. in einem ticketoffice hat sich schon eine menschentraube versammelt. ich drängel mich zum verkäufer durch, zwei tickets nach khartoum bitte. nur noch ein platz übrig. mir wird heiss. es ist schon neun uhr. soviel kaffee, tee und warten, um den bus vor der nase zu verpassen? der khartoumer redet jetzt auf arabisch auf den verkäufer ein, ein ernster blick, ein nachdenkliches wiegen des kopfes, OK zwei plätze, bitte sehr. wann fährt der bus, frage ich beim bezahlen. "now" sagt der verkäufer gewichtig. drei stunden später geht es los. -nbo


zen oder die kunst im bus zu sitzen
zwischen wadi halfa und khartoum, 8.12.2004

du weisst längst nicht mehr, wie viele stunden du schon in diesem LKW-bus sitzt. als die sonne am wüstenhorizont unterging, waren es sechs stunden. das ist lange her. jetzt scheinen ein paar sterne durch die halbblinden fenster. im bus herrscht finsternis. als der fahrer endlich die scheinwerfer anmachte, ging die innenbeleuchtung aus. man kann nicht alles haben. bei jeder bodenwelle fliegst du aus dem sitz und landest hart auf deinem hintern. du hast längst aufgehört, von einem kühlen bier zu träumen. vorhin schweiften die gedanken noch in die vergangenheit, die zukunft, prallten ab und verebbten schliesslich. alles, was geblieben ist, ist dieses rollende schüttelrost, die pure gegenwart. du hast keine bedürfnisse mehr, starrst in die dunkelheit des busses und versuchst, den nächsten stoss abzufangen. keine musik, kein buch, in dessen traumwelten du entfliehen könntest. hellwach bist du, das reine körperliche sein, ein leichter schmerz. ja, du bist. und lächelst unbegreiflicherweise. dann zündest du dir eine zigarette an, rauchst mit deinen sitznachbarn und sprichst über fussball. -nbo


Sitzen lernen
Zwischen Wadi Halfa und Khartoum, 8./9.12.2004





Mittags steigen wir in den LKW-Bus nach Khartoum.  Wie lange die Fahrt dauern soll, kann uns keiner genau sagen. Die Auskünfte reichen von 15 Stunden bis hin zu zwei Tagen. Wir freuen uns wie die Könige, einen Sitz in der letzten Reihe an der Tür erwischt zu haben. Endlich mal viel Platz für die Beine. Doch schon nach 500 Metern werden wir durch ein Schlagloch eines Besseren belehrt. Aus freiem Fall prallen wir auf unsere Sitze zurück, au Backe! Nicht zum Festhalten, kein Vordersitz, der den Stoss abfängt. Und das auf einer unausgebauten Huckelpiste, die jedem Motocross-Fahrer das Herz höher schlagen liesse.

Neugierig werden wir angegrinst, während unsere Gliedmassen in der Luft wilde Kapriolen schlagen, um dann unsanft auf dem Schoss des verdutzten Sitznachbarn zu landen. Völkerverständigung der etwas anderen Art. Zur Belohnung für die willkommene Kurzweil bekommen wir in der Pause Zigaretten geschenkt, ein Polizist aus Saudi Arabien übernimmt gar die Patenschaft für uns und schaut bei jedem Halt nach unserem Wohl, lädt uns zum Essen ein und schüttelt dauernd den Kopf. Er kann es selber nicht fassen, worauf er sich bei diesem Trip eingelassen hat.

Eine durchschnittliche Fahrt in einem der Rüttel- und Schüttelautomaten auf dem Hamburger Dom dauert für gewöhnlich nicht länger als fünf Minuten und kostet drei Euro. Aber diese hier dauert nun schon 5 Stunden, quasi unbezahlbar, und wir haben noch nicht mal die Hälfte der Strecke hinter uns. Ich habe schon jetzt das Gefühl, als würde ich auf meinem unteren Rippenbogen sitzen. Die Sitze sind mit 3cm dickem Schaumstoff gepolstert, der den harten Aufprall um nichts schmälert. Jeder Arzt hätte uns schon jetzt ein Schleudertrauma bescheinigt. Wer einmal auf einem Rodeobock geritten ist, kann den Bewegungsablauf in etwa nachempfinden. Hysterisch kichernd klammern wir uns unter unseren Sitzen fest, um zumindest die Flughöhe zu beeinflussen.

Im Bus herrscht ausgelassene Stimmung, ausweglos sind alle dem selben Schicksal ausgeliefert. Die drei Jungs aus Kairo einige Sitzreihen vor uns drehen sich zu uns um, winken uns zu und rufen immer wieder "Nil, Nil!" 10 Stunden dauert dieser Ritt jetzt schon, und es ist kein Ende abzusehen. Wir sind gefangen in einer Zeitschleife, die sich minütlich von Aufprall zu Aufprall  wiederholt. Draussen wird es dunkel, und wir reiten weiter durch die Dämmerung.

Pause. Teppiche werden ausgebreitet, wir werden von unserem saudischen Paten zum Tee eingeladen und strecken unsere verprügelten Körperteile von uns, während sich zehn Meter hinter uns eine Reihe von fünfzehn Kaftanträger zu einer Mauer aufbaut. Einer nimmt Anlauf, lüft den Ball über ihre Köpfe hinweg in die obere linke Ecke. Tor, Tor!, die Menge jubelt. Nein, falsch. Die Gewandeten gehen hingebungsvoll gemeinsam in die Knie zum Sonnenuntergangsgebet. Sogar auf einer solchen Knüppeltour wird nicht versäumt, Allah zu danken. Sie haben auch die besseren Plätze.

Weiter gehts stundenlang durch die sternklare Nacht. Ohne weitere Erklärung wird um zwei Uhr unvermittelt im schwarzen Nichts angehalten. Festgefahren im Sandboden? Einige nehmen ihre Teppiche und Wolldecken unter den Arm und legen sich nach draussen. Jetzt haben auch wir es verstanden, Nachtruhe befohlen. Unvorbereitet auf dieses Nachtlager bleiben wir im Bus und versuchen im 90-Grad-Winkel einzuschlafen. Wenigstens rüttelt es jetzt nicht mehr, dafür wird mehrstimmig atonal geschnarcht. Neben meinem Ohr hat einer Schnupfen und ich höre seinen Rotz rhythmisch durch seine Nebenhöhlen blubbern. Keine Chance, so kriegen wir kein Auge zu. Wir steigen über Leiber und schlafende Körperteile aus dem Bus und legen uns mit unserem dünnen Deckchen in die klirrendkalte Wüstennacht. Nach zwanzig Minuten kapitulieren wir auch hier. Lieber im warmen Bus dösen, als zähneklappernd hier draussen zum Eisblock zu werden.

Zurück im Bus gelingt es uns auf wundersame Weise dann doch noch, drei Stunden zu schlafen. Um halb acht heisst es dann wieder Aufsitzen zum 8-stündigen Schlussritt nach Khartoum. Nach 28 Stunden Busfahrt weiss ich nun auch, was mit dem Wort Sitzfleisch gemeint ist. Ich habe jedenfalls keins mehr. Wo meins einmal war, sind nur noch Schwielen. nach Diktat verreist -dwo


ein afrikanischer moloch
khartoum, 10.12.2004

was für eine schreckliche stadt. ein lehm und beton gewordenes nichts am zusammenfluss von weissem und blauem nil. überall sieht es aus wie nach einem bombardement. brachflächen, hausskelette, bei denen man nicht weiss, ob es unfertige neubauten oder ruinen sind. im industriegebiet vor khartoum warten ziegenherden mit ihren hirten zwischen fabriken auf was auch immer. am nilufer in der innenstadt langweilen sich grimmige soldaten vor ministerien. kein cafe, keine promenade. als wir uns auf eine bank setzen, um auf den traurigen nil zu schauen, werden wir weg gescheucht. hinsetzen nicht erlaubt.

je 40 kilometer in alle vier himmelsrichtungen erstreckt sich dieser platte drittweltmoloch von der innenstadt. 1977 lebte hier 1 million einwohner, heute sind es 2 oder 3, niemand hat mehr nachgezählt. die innenstadt ist ebenso amorph wie die vorstädte, auch hier seitenstrassen aus schutt, bankgebäude von undefinierbarem architekturstil, die eine oder andere ziege. das klingt vielleicht ganz cool, es ist aber trostlos. der freundlichkeit der sudanesen tut das allerdings keinen abbruch. ein spässchen, ein lachen, und wenn man nicht weiter weiss, hilft jemand (ausser soldaten, die sollte man meiden).

nach omdurman, dem einzigen offenbar etwas älteren und gewachsenen stadtteil, gehen wir mit unserem muskelkater nicht. es ist zu heiss, wir sind zu kaputt. güsthouses gibt es in khartoum nicht, für die paar verirrten rucksackmenschen lohnt das nicht. das billigste doppelzimmer kostet 38 dollar (ist aber auch wirklich in ordnung). die NGOs tummeln sich im "hotel acropole", für 175 dollar die nacht.

wir gehen kurz hin, um in ermangelung eines handbuchs über den sudan ein paar informationen rauszubekommen. die beiden europäer, die das hotel leiten, sind ziemlich arrogant. als traveller bist du hier nur pack, erst recht, wenn du noch den staub der wüste an dir hast. alkohl gibt es im ganzen staat offiziell nicht. nur in khartoum dürfen ausländer und vermutlich einheimische oberschichtler in privatclubs picheln. wir müssen uns mit einem alkoholfreien bier nach all den strapazen begnügen, das uns der eine der beiden acropolisten herablassend anbietet.

in einer provinz, lese ich aber in einer kolumne des "sudan monitor" (tageszeitung), haben frauen ein alkoholgebräu entwickelt, das knallt. sie haben es "internet" getauft, "because it connects you to the world within", wie der kolumnist schreibt. können diese frauen nicht den sudanesischen staat übernehmen? -nbo


und wieder raus aus dem sudan
khartoum, 10.12.2004

seit drei tagen sind wir nun im sudan. ehrlich gesagt, reicht uns das schon. nicht dass hier etwas vom krieg in darfur zu spüren wäre. aber irgendwie ist das land nicht gerade heiter. selbst die strecke von atbara am nil entlang nach khartoum, die schlussetappe unserer busfahrt, war öde. und atbara (kleinstadt mit 60.000 einwohnern) eine ebenso trostlose ansiedlung von häusern in der wüste wie die hauptstadt khartoum. ich hätte nicht mal lust, eine andere provinz zu erkunden, selbst wenn wir zeit genug hätten. morgen fahren wir richtung gedaref, um dort einen truck an die äthiopische grenze zu finden. -nbo


sudan-transport mal anders
zwischen khartoum und gedaref, 11.12.2004

es geschehen zeichen und wunder. der bus, wir heute morgen besteigen, ist ein nagelneuer mercedes-reisebus. die busgesellschaft el gailani muss von einem reichen saudi im namen der arabischen brüderlichkeit finanziert sein, anders ist diese luxusfahrt nicht zu erklären. el gailani habe "good service", sagen die leute am ebenfalls brandneuen busbahnhof von khartoum, der eher einem flughafen gleicht. sie haben recht. wir bekommen kaffee, ein frühstück, cola, saft und kekse.

währenddessen gleiten wir sanft abgefedert durch die landschaft richtung südosten. und siehe da, auch hier ändert sich etwas. die öde ebene weicht einer freundlichen grünen hügellandschaft, die städte bestehen aus runden lehmhütten mit strohdach, sind auf einmal sauber und gepflegt. gedaref, wo wir aussteigen, ist geradezu malerisch im vergleich zum nordsudan. gutgelaunt besteigen wir mittags am rande des marktes von gedaref einen truck nach gallabat. unsere letzte etappe bis zur äthiopischen grenze. ein sudani vor mir hat auf seinem hemd stehen "one life - live it" stehen. wir wahr, denke ich, als wir durch die  heisse savanne losruckeln. -nbo


Tausche Abitur gegen Sport-BH
Zwischen Gedaref und Gallabat, 11.12.2004






Afrika, 42 Grad, die Sonne brennt. Perfekter Halt dankt 3-Wetter-Taft. Schön wär's. Die Fortbewegungsmittel werden abenteuerlicher. Wir sind in Gedaref umgestiegen vom Luxus-Bus auf die Pritsche eines LKWs und werden "zu Fuss" gefahren in Richtung äthiopischer Grenze.

Vier Stunden soll die Fahrt dauern, für 180 km. Stehend wohlgemerkt, zusammengepfercht zwischen 35 weiteren Passagieren und landwirtschaftlichem Gerät. Durch zerfurchte Pisten, die ihren Namen nicht verdient haben. Ein Schlagloch nach dem anderen. Bloss nicht die Knie durchdrücken, dann wird man zur Stange und kann die Stösse nicht mehr abfedern. Den Klammergriff haben wir zwar schon auf der letzten Bustour perfektioniert, aber der nützt uns wenig. Die Fliehkraft reisst dich vom Boden, das gesamte Gewebe deines Körpers in ständiger Auf- und ABwärtsbewegung. Ich fühle mich wie in einem Dauerbelastungstest für IKEA-Schubladen.

Die beiden kichernden Mädchen im Basthüttchen am Marktplatz von Gedaref wollen mich vor der Abfahrt noch schminken, aber ich erkläre ihnen durch Hochhalten meiner Sonnenbrille, dass es keinen Sinn macht, mir die Augen schön zu machen. Na gut, dann rauchen wir eben eine zusammen. Ich bin baff, die ersten rauchenden Frauen seit der Türkei. Überhaupt sind die Frauen hier in Afrika ein eigenes Kapitel. Nicht nur, dass sie grösstenteils wunderschön geschnittene Gesichter haben, sie sind auch erstaunlich selbstbewusst und offen. Eine Wohltat nach der männerdominierten arabischen Welt.

Nach fünf Stunden auf dem Rüttelbrett, übersät mit blauen Flecken und Schürfwunden und Gesichtern wie Bergarbeiter kommen wir am sudanesischen Grenzort an. Das muss man sich mal vorstellen: Herr der Ringe Teil 1+2 stehend und durchgeschleudert. Im Stockdunklen passieren wir die äthiopische Grenze. Heute nacht kann ich überall schlafen, hauptsache in der Waagerechten, geduscht wird morgen. nach Diktat verreist -dwo


paradies im grenzmüll
metema, 11.12.2004

als es schon dunkel ist, passieren wir endlich die brücke zwischen gallabat/sudan und metema/äthiopien. mateus, ein junger typ, der sein auskommen als grenzgänger findet, hat uns durch die amtsstuben gelotst. jetzt staunen wir über die hauptstrasse von metema, einem dorf, in dem nächtliches leben brodelt. in einer hüttenbar fallen wir verschwitzt und staubbedeckt wie grubenarbeiter auf einen stuhl und zischen das erste bier seit ägypten. im hintergrund läuft groovige mucke, die frauen tragen keine kopftücher mehr, und alle sind entspannt. ein travellerparadies!

dass es schäbig ist, stört uns nicht, im schein der lichter wird hier alles in eine hippie-atmosphäre getaucht. und wir sind zu kaputt, um noch ansprüche zu stellen. unser zimmer ist ein verschlag, die toilette im hof ein loch im boden, an dessen grund im schein der taschenlampe es krabbelt und wabert. auch das ist reisen.

mateus findet für uns hinter der zehnten hütte abseits der hauptstrasse noch ein geöffnetes restaurant, in dem wir injera, das graue, poröse, pfannkuchenartige brot äthiopiens, mit fleisch essen.

zum schluss ein bier in einer der unzähligen hüttenbars. und überall nur junge leute. keiner ist älter als 25 (äthiopien ist das zweitbevölkerungsreichste land afrikas, mit 72 millionen einwohnern). ob metema bei tageslicht traurig aussieht, werden wir nie erfahren: unser bus nach gondar fährt am nächsten morgen freundlicherweise um halb sechs. -nbo


jenseits von entenhausen
gondar, 13.12.2004





gondar ist verwirrend und unwirklich. in 2200 metern höhe gelegen, mit jahrhunderte alten burgartigen schlössern, die fast schottisch anmuten, eingerahmt von hügeln mit waldstücken und weiden, die einen eher an eine voralpenlandschaft erinnern. schilder sind mit seltsamen runen beschriftet (amharisch). im zentrum befindet sich die "piazza", die die italiener samt grossem cafe aus ihrer sechsjährigen kolonialzeit hinterlassen haben. die äthiopier sind zwar schwarz, aber ihre gesichter haben oft wenig ähnlichkeit mit den afrikanern, die man normalerweise im kopf hat. eher sehen sie europäisch aus, nur eben dunkel.

gondar wirkt wie eines dieser unter dichten wolken verborgenen märchenländer, auf das die duckfamilie nach tausenden von kilometern auf schatzsuche jenseits von entenhausen in gestürzt ist. im ethiopia cafe an der piazza trinken wir erst mal einen kaffee. schön stark, die äthiopische variante des espresso, mit viel crema. sobald wir aber einen fuss vor die tür des cafes oder hotels setzen, sind wir von einer horde kinder und jugendlicher umringt, die uns wie ein schwarm folgt. die kleineren fragen "mister, buy me book?", die älteren "you go to simien mountains?". daran muss man sich gewöhnen, die kerle verschwinden nicht.

die erwachsenen sind auf den ersten blick um so reservierter. sitzt man aber erst mal mit ihnen in einer der zahlreichen kneipen zusammen, tauen sie sofort auf. in einer mischung aus kramladen und bar trinken wir äthiopischen ouzo (nicht schlecht!) und lästern über den sudan. da lachen die äthiopier schallend. währenddessen wird über die tresen-theke wasser und klopapier verkauft. in der ecke wippt ein mann im rhythmus der musik. die besitzerin des ladens winkt uns am nächsten morgen gleich freudestrahlend zu - wahrscheinlich auch, weil woldo meinte, äthiopische frauen würden so gut aussehen. das hat ihr sichtlich geschmeichelt.

die äthiopischen männer sind fussballverrückt. als wir nachmittags in unserem zimmer sind, hören wir plötzlich ein tierisches geschrei von oben. ich renne rauf in die rooftop bar, ein tor ist gefallen. die bar platzt aus allen nähten, so viele wollen das spiel sehen. ich denke, das tor muss für äthiopien gefallen sein. ein blick auf den bildschirm belehrt mich eines besseren: es ist ein premier-leagü spiel zwischen arsenal und birmingham. englischer fussball ist das einzige, was hier zählt.

mit den äthiopien-klischees, die sich seit dem band-aid-konzert 1984 in allen köpfen festgesetzt haben, hat das alles hier nichts zu tun. weder hungernde blähbäuche noch fliegenübersäte kinderköpfe. bettler gibt es allerdings genügend, die auch den einheimischen ihr sprüchlein runterbeten. auffällig ist auch, dass hier unglaublich viele leute in den strassen unterwegs sind, ohne erkennbar etwas zu tun zu haben. das ist das einzige indiz dafür, dass es äthiopien wohl nicht so gut geht, wie einen das entspannte treiben glauben lässt (äthiopien ist im human development report der UNO auf platz 170 von 177). -nbo


halbe strecke
gondar, 14.12.2004

die erste etappe ist geschafft. bis gondar regierte der zeitplan, aufgedrückt vom stempel des äthiopischen visums. macht nichts. so haben wir mehr zeit in ostafrika mit seinen phantastischen landschaften. städte und historische orte haben wir auch genug gesehen. jetzt sitzen wir in unserem runden hotelturm in gondar und legen eine art wochenende ein. lesen, essen, kaffee trinken, vom balkon in die landschaft schauen. planen. luft holen.

an zuhause denken: an das gemütliche, saubere bett in unserer wohnung. an st. pauli und phiesta sowieso. an ein kölsch in der bar centrale, einen wein "auf der ecke" bei mr. kebap (in unserer erinnerung ist in hamburg immer noch spätsommer/frühherbst), an das schwarzbrot in der bäckerei in der paul-roosen-strasse, einen joghurt im glas, spaghetti mit pesto, ein fischbrötchen an den landungsbrücken, die elbe, einen galao beim portugiesen, einen schwarzen bei karlo, einen von knuts cocktails, an den tü-bop...

zwei monate ist das alles her. 9.800 kilometer haben wir vom dammtor zurückgelegt. noch mal soviel liegen vor uns, wie uns gestern zwei südafrikaner gesagt haben, die von kapstadt hochgekommen sind. morgen geht's weiter. -nbo


Abgestempelt
Bahar Dar, 15.12.2004

Hier in Äthiopien gehen die Uhren anders, und zwar jede. Keine zeigt die selbe Uhrzeit an, jede hat ihre eigene Zeit. Die Taktgeber der westlichen Welt sind hier offensichtlich reine Dekorationsartikel oder wir haben das System nur noch nicht verstanden. Nachdem wir gestern in Bahar Dar, einem kleinen Ort am Lake Tana angekommen sind, fällt es uns schwer, gute Laune zu behalten.

Hier herrschen bad vibrations. Nur einfach ein Gast in diesem Land zu sein, funktioniert hier in Äthiopien nicht. Man ist Tourist, ein weisser Leuchtturm und muss dafür bluten. Fast scheint es, als würde man dafür bestraft, dass man Interesse an diesem Flecken Erde hat. Der Weisse ist reich und sie sind arm und deswegen müssen wir blechen, aber richtig.

An jeder Ecke wird man aufs Übelste abgezockt. Als müsse man eine Ablasszahlung für vorrangegangene Ungerechtigkeit leisten. Und dabei ist gerade Äthiopien das Land, dass niemals eine europäische Kolonie gewesen ist, bis auf die kurze siebenjährige Besetzung durch Italien. Also können sie sich auch nicht auf Wiedergutmachung berufen, sie haben sich hier alles selber eingebrockt, ihr Missmanagement und ineffiziente Landwirtschaftstechnik hat es in diesen maroden Zustand hineinkatapultiert. Der 17 Jahre währende Kommunismus bis 1991 hat ihm dann noch den Rest gegeben. Durch die westlichen Hilfsorganisationen kam dann das weisse Geld hierher, und seitdem sind wir abgestempelt als goldene Kühe.

Vor allem im Tourismus wird man übers Ohr gehauen, dass einem Hören und Sehen vergeht und vor allem die Fröhlichkeit. An allen öffentlichen Stellen scheint Abzocke befohlen. Bei Eintritten und Transport zahlen wir dass 2-3 fache der einheimischen preise. Damit hätte ich grundsätzlich kein Problem, wenn sie zudem nicht auch noch ganz offensichtlich versuchen würden, die Kosten einer kompletten Minibusladung auf uns abzuwälzen.

Hinter ihrem Rücken tun wir uns mit anderen Touristen zusammen, um auf eigene Faust die Fahrt nach Addis Abeba zu organisieren, nur um nicht erneut übers Ohr gehauen zu werden. Am nächsten Morgen kommt der Minibus natürlich nicht, weil sie hier alle unter einer Decke stecken, Saubande. Es ist traurig und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. Und dass, obwohl ich gerade auf dieses Land so gespannt war. Der einzige Ort, wo ich bis jetzt nicht dieses ungute Gefühl hatte, waren die Kneipen und Cafes, in denen wir für ein komplettes Frühstück mit Saft und Kaffe umgerechnet 1,80 Euro bezahlt haben.

Nicht dass es mir um den Betrag des Geldes geht, natürlich sind wir reich gemessen am Durchschnittslohn hier. Es geht mir vielmehr um das Gefühl der Gleichbehandlung und des Willkommenseins. Denn genaugenommen praktizieren sie hier jetzt nichts anderes, als die ihnen nur zu gut bekannte Ungleichbehandlung, nur eben umgekehrt, schwarz gegen weiss. Die Atmospäre zwischen "Gästen" und Einheimischen erinnert mich hier schwer an Kuba. Wir müssen zahlen und uns obendrein noch schlecht fühlen, des Gewissens wegen. Weder möchte ich wegen meiner Hautfarbe bevorzugt, noch benachteiligt werden. Ich möchte einfach nur das Land kennenlernen. Mann, wie ticken die hier eigentlich. Zum ersten mal beschleicht mich so ein Gefühl wie Heimweh. nach Diktat verreist -dwo


frühstück in fünf akten und andere merkwürdigkeiten
bahar dar, 15./16.12.2004

kann ich bitte noch einmal die araber zurückhaben? die letzten 24 stunden in bahar dar sind das frustrierendste, was wir bisher erlebt habe. schlimmer noch, wir sind total angefressen und regen uns auf. genau das aber macht dich als reisenden angreifbar. wenn einem das lachen vergeht, kommt's erst recht dicke.

fangen wir mit dem komischen an: unserem frühstück im hotel "dubambessa", für hiesige verhältnisse teure mittelklasse (dafür ist das bad sauber, es liegt am tana-see, die zimmer sind schön). wir sitzen auf der terrasse mit seeblick und bestellen unser frühstuck. die kellnerin nickt dauernd, und uns schwant schon, das sie kein wort verstanden hat. drei minuten später kommt ihre kollegin, die ein wenig englisch kann, und nimmt die bestellung noch einmal auf. irgendwann kommt das brot. fünf minuten später die cornflakes (die ersten in afrika), aber ohne milch. drei minuten später die milch. dann ein einzelner saft. wir lachen schon. zuletzt kommt der kaffee, der in äthiopien eigentlich die einfachste sache ist. keiner in diesem schuppen spricht einen zusammenhängenden satz englisch. aber alle nicken und sagen ständig "yes", auch wenn man eine frage stellt, die man nicht mit "ja" beantworten kann.

weniger lustig ist die touristenverarschung gestern nachmittag. wir fahren zum wasserfall des blauen nils, der hier aus dem see entspringt. als wir unser ticket bezahlt haben, kommen wir nach ein paar hundert metern an die stelle, wo man über den nil übersetzen muss. ein haufen schergen umringt uns und will fürs übersetzen mehr haben als für den eintritt (20 birr, ein abendessen für zwei hier). wir sind unter anderem mit drei äthiopiern aus addis unterwegs, die ebenfalls kaum glauben können, was diese typen dafür haben wollen. als wir uns wundern, werden sie auch noch ärgerlich. wir beissen in den sauren apfel und setzen über.

dann die nächste überraschung: der wasserfall existiert nicht mehr. eine lächerliche dusche rauscht die felsklippe runter, während das wasser ins nahe wasserkraftwerk umgeleitet wird. das ist das gute recht der äthiopier, aber warum streichen sie den "wasserfall" dann nicht von ihrer liste der sehenswürdigkeiten? die drei aus addis sind tief enttäuscht.

abends wollen wir nach nairobi telefonieren, um erkundigungen bei einer safari-agentur einzuholen. auf meinem handy erscheint zwar das netz der ethiopian mobile, aber einloggen kann man sich nicht. ein typ vor dem hotel, der freund von unserem wasserfall-guide, bietet uns an, von seinem handy aus anzurufen, wenn wir eine prepaid-karte kaufen. na gut.

dann wählen wir uns eine dreiviertelstunde die finger wund, um bei jeder nummer, selbst der der deutschen botschaft in nairobi, "the number dös not exist" zu hören. das guthaben ist verloren - es ist auf das handy unseres helfer gebucht. ein schelm, böses dabei denkt. mehr als die hälfte will er uns aber nicht zurückgeben, denn es sei ja nicht seine schuld, dass die verbindung nicht zustande gekommen sei. "I want just be friendly to you". meine laune ist im keller bei solch blumigem gelaber.

heute haben wir dann versucht, einen minibusplatz nach nairobi zu ergattern, weil die strecke dann in einem tag zu bewältigen ist. öffentliche busse müssen eine zwangsübernachtungspause einlegen, weil sie nicht nach einbruch der dunkelheit fahren dürfen. lustig nur, dass in äthiopien alle busse um 5:30 h losfahren, wenn es stockdunkel ist (sonnenaufgang ist hier um 7 h) und die fahrer sicher total ausgeschlafen sind (man sieht sie noch am abend vorher um zehn putzmunter um preise feilschen).

wir fragen also morgens im hotel, und ja, verspricht man uns, der minibusplatz wir organisiert. als wir mittags nachfragen, weiss an der rezeption niemand von nichts. sicherheitshalber hauen wir noch einen zweiten typen draussen vor dem hotel an, denn jeder behauptet hier, einen platz im minibus organisieren zu können.

nachmittags kommen auf einmal zwei typen auf uns zu, der deal sei perfekt, fahrer und wagen kämen gleich. stunden vergehen. währenddessen schnellt der preis um 50 % in die höhe. das liege an angebot und nachfrage, erklären uns die äthiopier. viel nachfrage, höhere preise. das nenne ich marktwirtschaft im stundentakt. folgerichtig wird der mann, der die minibusse organisiert, auch "broker" genannt. aber es gibt nur einen broker im ort. von wegen marktwirtschaft.

als wir erneut fragen, wann denn der wagen komme - man soll hier in kein fahrzeug einsteigen, dass man nicht vorher gesehen hat -, wird einer der typen fuchtig. "do it or not", sagt er, "I'm not pushing you." da muss ich fast lachen, aber ich bin schon zu wütend. langschweifige erklärungen folgen zum x-ten mal, dann wieder druck, sich für einen der beiden minibusse zu entscheiden.

nun könnte man sagen, ja wir sind von unserer sudan-durchquerung ausgepowert. sind wir, keine frage, sonst hätten wir alles weggelacht. aber wir treffen andere, denen es in dieser stadt genau so geht. ein älterer serbe bei uns im hotel schimpft wie ein rohrspatz. ein traveller-paar aus israel, das wir in einem cafe treffen, ist total angepisst. und das, obwohl die frau ursprünglich aus äthiopien stammt. sie findet ihr früheres heimatland fürchterlich. wir haben beide zum ersten mal seit dem dammtor richtiges heimweh. -nbo


macchiato an der piazza
addis abeba, 18.12.2004





was für eine erleichterung. wir hatten schon mit dem schlimmsten gerechnet. addis, wie man hier sagt, sei eine trostlose stadt, meinten die anderen traveller in bahar dar, noch viel schlimmer als diese stadt am tana-see. aber addis ist klasse.

eine entspannte grossstadt, die in einem talkessel liegt und anders als khartoum wirklich eine stadt ist. an der "piazza" sitzen wir in einem strassencafe und trinken espresso macchiato. ein paradies für kaffeetrinker. geschäftsleute, tagediebe, stadt-hipster sitzen hier gegenüber dem kino in der sonne und schlürfen ihren kaffee. die kellnerinnen haben abgefahrene lockenfrisuren, und gut sehen sie sowieso fast alle aus.

um die ecke von unserem "hotel baro", das eine üppig grünen innenhof hat, reihen sich bars und puffs aneinander. mensch, da fühlt man sich ein wenig wie zuhause. die stimmung steigt, das heimweh verfliegt beim dritten "makiato" und bahar dar ist nur noch eine blöde episode. jeden tag werden die karten eben neu gemischt auf dieser tour. -nbo


what time is it?
addis, 18.12.2004

heute ist der 10.4.1997 in äthiopien. ein land, das im wahrsten sinne des wortes in der vergangenheit lebt, weil hier noch der alte julianische kalender kalender gilt, der bei uns im mittelalter abgeschafft wurde. und wenn man mit irgendjemandem hier eine uhrzeit ausmacht, heisst es: "OK, at eight o'clock in your time."

ich habe das zuerst für eine floskel gehalten, "in your time". aber ein blick auf armbanduhren, etwa im bus, zeigt immer eine andere uhrzeit. nach einiger zeit stelle ich fest, dass die uhren konsequent anders gehen, und zwar sechs stunden vor (oder nach, wie man es sehen will). wenn wir uns um zwei uhr nachmittags im bus fragen, wie lange wir wohl noch brauchen, ist es auf äthiopischen handgelenken acht.
des rätsels lösung: sieben uhr morgens ist hier ein uhr am tag, sieben uhr abends ein uhr nachts. auch sonst ist die vergangenheit allgegenwärtig. im kino gegenüber unserem stammcafe läuft "the rock" mit sean connery, ein actionschinken von 1996 oder "I know what you did last summer" von 1997. die zeitungshändler vor dem kino verkaufen time-, newsweek- oder economist-ausgaben von 2001. keine ahnung, wer das noch liest. selbst in einem ordentlichen buchladen wie bookworld sind nur internationale magazine von vor vier, fünf wochen zu bekommen.

in äthiopien gehen nicht nur die uhren anders, sondern auch die frauen. sie sehen nicht nur gut aus, sie sind auch noch vorwitzig. als wir gestern eine strasse lang gingen und eine gruppe von drei schlendernden äthiopierinnen überholten, zupfte es mich plötzlich am ärmel. darauf sogar ein kniff in den arm, gefolgt von einem kichern und giggeln. nach dem nahen osten ein ganz ungewohntes, auesserst sympathisches gefühl. -nbo


Die Welt des schönen Scheins
Addis, 18.12.2004

Mitten in Addis steht eine Festung, sie gehört zum Königreich Sheraton, die Residenz der Reichen und der Businesswelt, inmitten der Strassenbuden und alltäglichen Durchschnittsarmut. Wir gehen hin, um Geld zu wechseln. Vorbei an den uniformierten Wachen, durch Sicherheitsschleusen in die wohltemperierte Halle. Professionell lächelndes Personal begrüsst uns zurückhaltend, alle ausgebildet in Europa. Aus den Lautsprechern rieselt sanft Konserven-Weihnachtsmusik, unter dem Weihnachtsbaum liegen Deko-Geschenke, alles funkelt und glitzert. In diesem gigantischen Hotelkomplex kosten die Zimmer im Schnitt 300 $ die Nacht, die Suite ist für schlappe 4.300 $ zu haben. Eine Summe, die für einen Äthiopier einem Lottogewinn gleichkäme. Aber für Einheimische ist dieser Schuppen auch nicht gedacht, hier ist man entre nous.

Im hoteleigenen Bookshop wollen wir ein Buch über die afrikanische Entwicklungspolitik mit Kreditkarte bezahlen, immerhin 198 Birr, umgerechnet ungefähr 18 Euro. "No, not for small amounts", lächelt mir die äthiopische Kassiererin entgegen. Was denn, bitteschön, not a small amount für sie sei, möchte ich von ihr wissen. "Starts at 500 Birr", ist ihre gepflegte Antwort. 500 Birr! Das durchschnitliche äthiopische Monatseinkommen ist hier der Mindestbetrag für Kreditkartenzahlung. Unfassbar!

Wer hier absteigt und behauptet, in Äthiopien gewesen zu sein, lügt sich in die eigene Tasche. Als interessante Randbemerkung sei noch erwähnt, dass die Sheraton Hotelkette dem Äthiopier Al Amoudi gehört. Und nicht nur die, auch den Pepsi Konzern nennt er sein Eigen. Ausgewandert in den 70ern residiert er nun in Saudi Arabien. Ars vivendi! nach Diktat verreist -dwo


tor für äthiopien
addis, 19.12.2004





sonntag nachmittag. die hauptstadtstrassen sind leergefegt. die äthiopische nation hängt vor dem fernseher: äthiopien spielt in der ostafrika-meisterschaft gegen sansibar. das letzte gruppenspiel vor dem einzug ins halbfinale. was da im schneegestöber des fernsehbildes in unserem hotelinnenhof zu erkennen ist, beeindruckt nicht gerade. ein einziges ballgeschiebe im mittelfeld, manchmal verspringt auf dem grasacker des stadions von addis. immerhin keine rückpässe zum torwart. aber auch kein offensivdrang. im strafraum passiert nichts. "den äthiopiern fehlt ein torjäger", sage ich zu einem älteren äthiopier, der auch guckt. "du hasst es erfasst", antwortet er lächelnd.

die mannschaften kommen aus der halbzeitpause. äthiopien dreht jetzt auf. "antenne" treibt den ball immer wieder über die linke seite, jedenfalls scheint das der name zu sein, wie ich aus dem amharischen wortstrom des reporters schliesse. die sansibarer sind noch schwächer geworden und fallen alle fünf minuten theatralisch zu boden. antenne zu "schnaffi", schnaffi passt zu "aider", da plötzlich ein getümmel im sansibarischen strafraum, der ball fliegt senkrecht nach oben, was macht der sansibarer torwart da, er kommt nicht heran, ein äthiopier legt sich quer in die luft und hämmert die kugel zwischen vier verdutzten abwehrspielern aus zehn meter ins netz. ohrenbetäubender jubel bricht los: 1:0 für äthiopien, die lautsprecher des fernsehers verzerren, und der sender zeigt sogar eine wiederholung.

die gesichter der äthiopier im hotelinnenhof entspannen sich. einige minuten später, schnaffi und antenne haben wieder die sansibarische abwehr durcheinandergebracht, der wird in die rechte strafraumhälfte gepasst, aider, dieser ballfuchs, stoppt vorbildlich, legt sich auf rechts vor, zieht ab und tor! 2:0 für äthiopien. da sah der sansibarische torwart alt aus, als die kugel an ihm vorbei ins rechte obere eck zischte. kurz vor schluss besorgt aider mit einem flachen 20-meter-schuss ins linke untere ecke den 3:0-endstand.

die zuschauer tanzen, gesänge erschallen von der tribüne, die denselben rhythmus wie in unseren stadien haben. eine äthiopische pop-ikone mit weissen haaren schmettert nach abpfiff ein patriotisches lied, und draussen hört man die ersten autos hupen. heute sind alle glücklich. -nbo   PS: äthiopien besiegte im halbfinale kenia glücklich im elfmeterschiessen und im finale burundi mit 3:0, diesmal aber souverän. da war vielleicht was los.


nächste etappe:von addis abeba nach nairobi
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